Immer wenn Deutschland bei der WM nicht spielt, und nur Schiedsrichter Wolfgang Stark zum Einsatz kommt, heißt es in den Medien: "Obwohl die DFB-Elf heute nicht spielt, findet das heutige Spiel mit deutscher Beteiligung statt." Stimmt nicht ganz – denn bei den meisten Spielen in Südafrika sind Deutsche anwesend. Es handelt sich um deutsche Fans, die mit Bannern auf sich aufmerksam machen und fast kein Spiel der WM auszulassen scheinen. Was ist der Hintergrund? Besonders viele Tore sehen? Mögliche Gegner der DFB-Elf beobachten? Nein, diese Fans sind "Groundhopper", eine Gruppe von Fußballverrückten, die weltweit "Stadien sammelt" wie andere Briefmarken oder CDs. Genau genommen werden Stadionbesuche gesammelt. Eine Fußballarena gilt dann als abgehakter "Ground" (englisch für (Fußball-)Platz), wenn man mindestens 45 Minuten eines Spiels live in dem Stadion gesehen hat.
Derzeit strömen die Groundhopper in die WM-Stadien. Durch die günstige Lage von Johannesburg, mit sechs Arenen in der näheren Umgebung, ist es für die "Groundhopper" leicht, viele WM-Spiele zu besuchen. Da täglich mindestens ein Spiel in der Region stattfindet, können die Fans während des Turnieres einige neue "Grounds machen", wie es im Jargon heißt. So erklären sich einige deutsche Plakate, die bei den meisten WM-Partien zu sehen sind. "Groundhopper" aus Hessen, Osnabrück, Halle/Saale oder Walsrode grüßten beim Eröffnungsspiel in Johannesburg, beim Duell England gegen die USA in Rustenburg, bei Argentinen gegen Südkorea im Ellis-Park, Kamerun gegen Dänemark in Pretoria und vielen weiteren Paarungen, darunter natürlich die Spiele der DFB-Elf.
Faszination Stadionkultur
"Groundhopping" ist eine Faszination für sich - getragen von viel Leidenschaft: Es ist die Sucht nach Fußball, die Sucht danach, zu reisen und unterwegs zu sein. Und wie jeden Sammler treibt auch die "Hopper" der Wunsch nach Vollständigkeit an. Es gilt, spätestens am Ende des Turniers alle zehn WM-Stadien besucht zu haben. Nicht ander ist es Wochenende für Wochenende in den internationalen Ligen. Wenn man beispielsweise von 20 Vereinen in der englischen Premier League bei 19 Klubs im Stadion war, dann möchte der Stadionsammler auch den letzten Ground in dieser Liga abhaken. Und: Das Stadion ist der Star. "Groundhopper" treiben sich nicht nur in den großen Arenen der Top-Clubs herum, sie machen auch "Grounds" in den unteren Klassen oder in Ligen, die nicht so sehr im internationalen Fokus stehen - z.B. in Tschechien, Polen oder Belgien.
Die Stadionkultur ist bei Fußballfans sehr wichtig. In Zeiten, wo neue Fußballarenen sich immer mehr ähneln, sind die traditionellen Stadien oder architektonisch einzigartigen Arenen besonders beliebt. Das Dach des Moses-Mhabida-Stadions in Durban, die Silhouette des Green-Point-Stadions in Kapstadt oder die steilen Tribünen des Ellis-Parks in Johannesburg lassen "Hopperherzen" höher schlagen. Sie bilden die Bühne für die Passion Fußball: Feiernde Menschenmassen, Hexenkessel mit ohrenbetäubendem Lärm und natürlich ein gewisser Überraschungseffekt.
Der erste Gang die Treppen hinauf zur Tribüne, setzt beim "Groundhopper" Adrenalin frei. Man hört die Fangesänge, kann aber noch nicht sehen, wie es im Inneren des Stadions aussieht. Erst wenn man den Eingang zur Tribüne erreicht, ist man umgeben von Fußballfans in einem einzigartigen Stadion. Dann ist der "Hopper" in seinem Element, hier spürt er sein Lebensgefühl.
P.S.: Diskutieren Sie das Thema auf Fankurve 2010 der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.