Philipp Lahm will nicht mehr warten. Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist froh, dass das WM-Turnier an diesem Freitag endlich losgeht - wenn auch noch nicht für sein Team. Die lange Vorbereitung mit Trainingslagern und Testspielen zehrt irgendwann an den Nerven. Man will den Wettkampf. Ein Sportler will dann zeigen, was wirklich in ihm steckt. Mit dem Start eines Turniers beginnt ein neuer Abschnitt. "Ich habe auf diesen Tag hingefiebert", sagt Lahm. Der 26-Jährige verrät auch, wie es im Inneren der Mannschaft aussieht: "Dieses Team ist hungrig. Die letzten Trainingeinheiten wurden mit unglaublich viel Tempo und Begeisterung durchgezogen." Lahms Augen funkeln. Der Kopf dieser Truppe ist schwer angetan von seiner jugendlichen Gefolgschaft. Einzig 1934 hatte Deutschland bei einer Weltmeisterschaft ein jüngeres Team am Start als jetzt in Südafrika.
Philipp Lahm steht nach dem Ausfall von Michael Ballack an der Spitze des DFB-Aufgebots - und er ist auf dieser Position intern schon jetzt unumstrittener als sein Vorgänger. Der Münchener ist anders als Ballack. Er sucht den Ausgleich. Er wird nie laut. Lahm steht für flache Hierarchien. Und er ist darauf bedacht, bei fast jeder Gelegenheit die Stärke dieser unerfahrenen WM-Gemeinschaft herauszustellen. "Wir haben mehr Selbstvertrauen als 2006." Dieser Satz klingt nach Mutmacherei. Aber Lahm ist kein Mutmacher. Er ist einfach nur überzeugt von seinen Mitspielern. Und zwar in einem derart hohen Maß, dass einem fast schwindelig wird. "Seitdem ich Nationalspieler bin, habe ich noch in keiner DFB-Auswahl gespielt, die über so eine hohe Qualität verfügt wie diese hier."
"Wir werden immer wieder 1:1-Situationen suchen"
Es ist die Abkehr von der deutschen Spielweise, die Lahm vor dem Start am Sonntag gegen Australien, so hoffnungsvoll stimmt. "Wir gehen in dieses Turnier als Mannschaft, die spielerisch stärker ist als zu früheren Zeiten. Wir werden immer wieder 1:1-Situationen suchen, weil wir technisch stark sind und nicht so typisch-deutsch spielen." Lahm weiß, dass darin ein großes Risiko liegt. Es muss erst noch bewiesen werden, dass es kein Fehler von Bundestrainer Joachim Löw war, auf einen erfahren und wenn man so will "typisch-deutschen" Haudegen wie Torsten Frings verzichtet zu haben. Aber auch Lahm will von Frings nichts mehr wissen. Er ist der Anführer der Jungen. Die sollen es dieses Mal richten.
Der Neu-Kapitän ist in diesen knisternden Tagen vor dem deutschen WM-Start immer wieder als Kommunikator gefragt. Beim DFB steht sein Name ganz oben auf der Interview-Wunschliste. Diese Rolle beherrscht er perfekt. Auch darin unterscheidet sich der Außenverteidiger vom eher mundfaulen Ballack. Lahm formuliert seine Sätze präzise. Seine Sprache ist frei von Floskeln. Die Pressekonferenzen absolviert er mit hoher Souveränität und Professionalität. Immer wieder wird er dort auf die Interpretation seiner Rolle als Kapitän angesprochen. Solche Fragen mag der Bayern-Profi nicht besonders. Er will sich nicht über andere stellen und sagt dann einfach. "Ich muss auf dem Platz meine Leistung bringen, will sympathisch und kommunikativ sein. Das möchte ich den anderen gegenüber vermitteln." Bescheidenheit, noch so eine Tugend, die Lahm auszeichnet - und von früheren Alphatieren beim DFB abhebt.
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