Fußballfieber in Tokio, Ausnahmezustand in Asunción - beim Achtelfinale zwischen Japan und Paraguay blickt auch der Rest der Fußball-Welt nach Pretoria. Im Achtelfinale am Dienstag (16.00 Uhr auf ARD/Sky und im stern.de-Liveticker) können beide Teams WM-Geschichte schreiben. Niemals zuvor standen die Asiaten und die Südamerikaner in der Runde der letzten Acht. Die unglaubliche Euphorie in der Heimat empfindet Paraguays Stürmer Roque Santa Cruz als Ansporn und Verpflichtung zugleich: "Wir sind in einer historischen Epoche. Alles was unter Viertelfinale ist, ist zu wenig für uns." Nicht minder selbstbewusst gab sich Japans Trainer Takeshi Okada: "Wenn wir hundert Prozent von dem zeigen, was wir können, bin ich sicher, dass wir gewinnen."
"Spieler umarmen, die ihre Trikots durchgeschwitzt haben"
Die WM schlägt die Fans, aber auch die Spitzenpolitiker beider Nationen in ihren Bann. "Das ganze Land zieht aus dieser Leistung Stolz und Energie", sagte Japans Premierminister Naoto Kan. Noch pathetischer sprach Paraguays Staatspräsident Fernando Lugo über den Achtelfinal-Einzug: "Das Volk will mit dieser Nachricht alle Spieler umarmen, die ihre Trikots mit Hingabe durchgeschwitzt und sich die Zuneigung und den Respekt aller erarbeitet haben." Für den Fall weiterer Heldentaten der Spieler stellte er einen Besuch in Aussicht: "Wenn sie ins Halbfinale oder ins Finale kommen, werde ich ernsthaft darüber nachdenken, hinzufahren."
Anders als in den Jahren 1986, 1998 und 2002 soll das Achtelfinale für das Team um die Bundesliga-Legionäre Lucas Barrios, Nelson Valdez (beide Borussia Dortmund) und Jonathan Santana (VfL Wolfsburg) nicht die Endstation sein. Der Sieg in der Gruppe F deutlich vor dem schon ausgeschiedenen Weltmeister aus Italien schürte in Paraguay die Hoffnung auf mehr. Doch Routinier Denis Caniza, der seine bereits vierte WM bestreitet, warnte vor allzu großem Übermut. "Wenn wir Geschichte schreiben wollen, haben wir noch nichts erreicht. Erst jetzt kommt die wichtigste Phase des Turniers."
Paraguay geht als Favorit ins Spiel
Diesmal muss Paraguay nicht gegen Fußball-Großmächte wie England (1986), Frankreich (1998) oder Deutschland (2002) antreten, sondern geht als Favorit in die Partie gegen den in der Fifa-Weltrangliste um gleich 15 Plätze schlechter eingestuften Gegner. Zudem hat Japan noch nie ein WM-Spiel gegen Südamerikaner gewonnen.
Der vermeintliche Außenseiter, der bisher vor allem durch sehenswerte Freistoßtore und immense Laufarbeit von sich reden machte, gibt sich ungewöhnlich forsch. "Wir sind hier noch lange nicht fertig", sagte Japans Kunstschütze Keisuke Honda, von dem sich Trainer Okada "wieder entscheidende Tore erwartet". Vor allem das 3:1 im letzten Gruppenspiel über Dänemark sorgte für Rückenwind. Okadas mutige Zielsetzung vor dem WM-Start, das Halbfinale ins Visier zu nehmen, wird mittlerweile nicht mehr belächelt. Auch Mittelfeldspieler Makoto Hasebe glaubt an Japans Chance. "Wir wollen auch gegen Paraguay gewinnen", sagte der gegen den südamerikanischen Gegner als Kapitän auflaufende Hasebe.
"Ich bin hungriger als jemals zuvor"
Die Kritik an Okadas Arbeit nach vier Testspiel-Niederlagen vor der WM ist längst in Respekt übergegangen. "Gott, Buddha und Seine Hoheit Okada" titelte die Zeitung "Nikkan Sports" voller Euphorie. Nach dem WM-Aus von Südkorea gegen Uruguay sieht der Fußball-Lehrer sein Team ganz besonders in der Pflicht: "Als einzige verbliebene asiatische Mannschaft müssen wir jetzt mit Stolz spielen." Diese Botschaft des Trainers hat Verteidiger Yuji Nakazawa längst verinnerlicht: "Ich bin hungriger als jemals zuvor."
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