Anthony Baffoe sagt laut "Puh!" Allein daran kann man hören, er hat es nicht leicht bei dieser WM. Was nicht an den winterlichen Temperaturen liegt. Baffoe hat schlicht zu viel zu tun. Der ehemalige Bundesligaprofi muss viele Rollen gleichzeitig spielen. Mal ist er "Außenminister" Afrikas, mal Manager von Ghana und dann gibt es den Job bei der Fifa am Spielort Rustenburg. Am meisten aber muss der ehemalige Kölner und Düsseldorfer über Kevin Prince Boateng sprechen, der im FA-Cup-Finale zwischen Portsmouth und Chelsea Michael Ballack so schwer foulte, dass der deutsche Kapitän die WM wegen einer Bänderverletzung im Knöchel absagen musste.
"Puh", sagt Baffoe. Wie sagt man vor dem letzten Gruppenspiel am Mittwoch (20.30 Uhr/live im stern.de-Ticker) etwas, ohne etwas Falsches zu sagen? "Ich habe mich nicht entschuldigt, ich habe nur klargestellt, Kevin wollte Michael Ballack nicht absichtlich verletzen", sagt Baffoe. "Man hat in Ghana nicht verstanden wie die Sache aufgebauscht wurde. Die Menschen in Ghana waren enttäuscht darüber, wie Kevin behandelt wurde." Boateng helfe "der Mannschaft mit seiner Qualität. Er ist eine Persönlichkeit". Spezielle Maßnahmen werde es vor dem Deutschland-Spiel nicht geben. "Ich denke, Kevin ist auf Pfiffe der deutschen Fans vorbereitet, aber er ist fest in unser Team integriert", sagt Baffoe und ist plötzlich lieber wieder Afrikas Außenminister und Ghana-Manager.
"Eine Mannschaft, die in die Zukfunt gerichtet ist"
"Diese WM ist viel zu wichtig - für Ghana und vor allem für Afrika", sagt Anthony Baffoe. "Wir haben natürlich nicht so viele Spieler mit dieser Erfahrung wie sie Deutschland hat, aber wir sind weiter gekommen. Ghana hat sich weiter entwickelt. Und viele haben die WM 2006 noch nicht vergessen, als wir als einzige afrikanische Mannschaft das Achtelfinale erreicht haben", sagt der Bruder der Schauspielerin Liz Baffoe ("Lindenstraße").
"2010 haben wir eine Mannschaft, die in die Zukunft gerichtet ist. Diese Energie spürt man überall. Nach der U-20-WM drängen viele Talente nach oben. Da ist eine Mannschaft, die auf eine gute Mischung bauen kann", sagt er und erwähnt dabei besonders Hans Sarpei von Bayer Leverkusen. "Torjäger Asamoah Gyan hat sich in den letzten zwei Jahren unheimlich entwickelt. Oder Torwart Kingson, der sehr kritisiert wurde. Die Abwehr hat sich insgesamt sehr entwickelt." Allerdings ist Kingson bei seinem englischen Club Wigan Athletic trotzdem nur die dritte Wahl fürs Tor.
"Heute nimmt man uns ernst"
Seit Jahren berät Baffoe den ghanaischen Verband in internationalen Beziehungen und ist eine Führungsfigur der ghanaischen Spielergewerkschaft. "Früher war das Problem der Nationalmannschaft die fehlende Disziplin. Jetzt sind wir am Punkt angelangt, dass mehr Wert auf Organisation und Effektivität gelegt wird", so Baffoe. "Taktisch und athletisch haben wir zugelegt und die Abwehr ist heute eine stabile Formation. Viele Spieler sind bei großen Klubs in Europa unter Vertrag. Alle haben ein paar Jahre mehr Erfahrung. Vom System her spielen wir ein 4-2-3-1, das viele Klubmannschaften und Nationalteams praktizieren."
Nach dem Ausfall von Superstar Michael Essien vom FC Chelsea müsse die junge Mannschaft nach vorne schauen. "Deutschland ist natürlich der klare Favorit. Aber ich bin mir sicher, dass sich die Deutschen schon auch Gedanken über Ghana machen werden", sagt er. "Wir gehören in Afrika zur Spitze, und wir kommen weltweit immer näher an die Elite heran". Die Gruppe D sei für Ghana "eine echte Bewährungsprobe vor allem für junge Spieler wie Andre Ayew und Samuel Inkoom oder Kwadwo Asamoah". Er rechne aber fest damit, dass wir nicht mehr unterschätzt werden wie 2006: "Heute nimmt man uns ernst." Vor allem der serbische Trainer Milovan Rajevac "hat die Fähigkeit, die Mannschaft auch unter diesen Umständen gut einzustellen. Er weiß sehr genau, was die Spieler jetzt brauchen."
Afrika und der viermalige Afrika-Cup-Gewinner Ghana haben aufgeholt, da ist Baffoe sicher: "Wir haben viel gelernt: Vor allem achten wir auf Details. Es wird akribisch gearbeitet, es wird auf Dinge wie Pünktlichkeit geachtet." Dabei helfen Erfahrungen des Leverkuseners Sarpei und die der beiden Hoffenheimer Isaac Vorsah und Prince Tagoe. "Dass es diese Spieler in der Bundesliga schaffen, ist ein wunderbares Signal für Ghana und Afrika", sagt Baffoe.
Und Deutschland? "Da imponiert mir die junge Mannschaft. Wenn man sieht wie viele Länderspiele Podolski, Lahm und Schweinsteiger schon haben, kann man nur staunen. Dabei sind die ja gar nicht alt".