Am Samstagabend geht es für die deutsche Nationalmannschaft bereits um alles. Wollen sie das historische Ausscheiden in der WM-Vorrunde noch abwenden, müssen sie gegen Schweden gewinnen. Auch bei einem Unentschieden sind zwar noch Rechenspiele möglich, realistisch ist ein Weiterkommen dann jedoch nicht mehr. Entsprechend hoch ist die Anspannung im deutschen Quartier. Grund genug für den Bundestrainer, nach außen plakative Gelassenheit zu demonstrieren.
Am Mittwoch schlenderte Joachim Löw in kurzer Hose und Sonnenbrille ausgelassen an der Strandpromenade in Sotschi entlang. Der sonst nicht unbedingt die Öffentlichkeit suchende Löw posierte gut gelaunt für die Fotografen, lehnte sich an Laternenpfähle oder zeigte modelesk in die weite Ferne. Auch für Fans, die ein Selfie mit dem deutschen Bundestrainer ergattern wollten, nahm sich Löw die Zeit.




Aber was steckt hinter den Fotos? Die klare Botschaft ist: Ich habe hier alles im Griff, niemand ist in Panik, Samstag wird alles gut! Löw will allen zeigen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt und die Mannschaft sich aus dem Loch herausspielen wird, das sie selbst gegraben hatte. Klar ist auch: In sonnigen Sotschi direkt am Schwarzen Meer fühlt sich der Bundestrainer deutlich wohler als im kargen Watutinki. Löw hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er an die Kraft einer schönen Umgebung glaubt. Seit Monaten wird bereits gemunkelt, dass Löw daher unbedingt in Sotschi campieren wollte - wie vergangenes Jahr zum Confed-Cup. Teammanager Oliver Bierhoff habe sich aber durchgesetzt und den angeblich logistisch besseren Standort Watutinki bei Moskau ausgewählt. Bis zum Spiel gegen Schweden trainiert die DFB-Elf nun aber im sonnigen Sotschi. Ist Löws offen zur Schau getragene Entspannung also auch ein Zeichen an seinen Teammanager: Hier hätte ich am liebsten unser Lager aufgeschlagen?
Joachim Löw unter immensem Druck
Die Fotos könnten natürlich aber auch heikel werden, denn fest steht: Geht es Samstagabend gegen Schweden wieder nach hinten los, könnten Löw auch diese Bilder um die Ohren fliegen. Schon jetzt meinen einige in sozialen Netzwerken, Löw verkenne den Ernst der Lage. Andererseits: Verhaut Deutschland am Samstag das Spiel gegen Schweden, ist so oder so alles im Eimer. Auch Löws kürzlich verlängerter Vertrag bis ins Jahr 2022 dürfte ihn dann nicht vor einem Ende seiner Zeit beim DFB beschützen.
Nach Informationen der "Bild" war der PR-Spaziergang an der Promenade nicht mit dem Verband abgesprochen. Es soll im wahrsten Sinne des Wortes ein Alleingang von Löw gewesen sein. Und ist in der Form auch nichts Neues vom Bundestrainer. Auch vor vier Jahren genoss Löw medienwirksam die Sonne am brasilianischen Strand, auch damals entstanden zumindest zum Teil ähnliche Fotos der Deutschen Presse-Agentur:


Wie die Geschichte in Brasilien endete, wissen wir alle. Also ist vielleicht ein bisschen Entspannung und demonstrative Gelassenheit für den Bundestrainer der richtige Weg. Bleibt nur zu hoffen, dass sich seine Mannschaft nicht zu viel davon abguckt. Im Mexiko-Spiel war nämlich eher zu viel Ruhe, zu viel Behäbigkeit und zu wenig Feuer und Einsatzwille das Problem der Deutschen.