Es war das große Aufregerthema der abgelaufenen Bundesliga-Saison: der Videobeweis. Dem Fußballromantiker war er ohnehin von Anfang an ein Dorn im Auge, schwingt doch wegen ihm doch stets nach einem Torerfolg eine Ungewissheit mit und verwässert so den ausgelassenen Jubel im Stadion - so zumindest die weit verbreitete These. Aber auch der etwas weniger pathetisch aufgeladene Fußballfan hatte so viel zu meckern, dass nicht selten die Abschaffung der neuen Technik gefordert wurde. Nun läuft seit ein paar Tagen die WM und zeigt: Es geht auch besser. Der Videobeweis beim Turnier in Russland ist bislang eine einzige Erfolgsgeschichte, was vor allem an den folgenden Punkten liegt:
1. Der Videobeweis wird nicht inflationär eingesetzt
Das Hauptargument gegen den Videobeweis in der Bundesliga war auch das schlagkräftigste: Er wurde viel zu oft eingesetzt. Insbesondere in der Mitte der Saison, als sich alle Schiedsrichter mit dem System vertraut gemacht hatten, kam es mitunter zu hanebüchenen Szenen: Die Referees auf dem Platz gaben die Verantwortung weiter, scheuten vor Entscheidungen zurück, um sie lieber aus Köln überprüfen zu lassen. Die Assistenten dort wiederum schalteten sich allzu häufig ein, spulten nach jedem Tor minutenlang zurück, um irgendwo ein Foul oder Handspiel im Mittelfeld zu entdecken und den Treffer zurückzunehmen. Das führte zu Unmut bei den Zuschauern - und das völlig zu Recht. Die WM zeigt nun, wie es besser geht. Die grundlegende Regel, nur bei der berüchtigten "klaren Fehlentscheidung" einzugreifen, wird konsequent angewendet. Erst bei einer Handvoll strittiger Elfmeter- und Torentscheidungen kam die Hilfstechnik bislang zum Einsatz. So soll es sein.
2. Die Abseitsregel wurde überarbeitet
Nichts ist bitterer, als ein irreguläres Tor zu kassieren. Selbstredend darf so etwas beim wichtigsten Turnier eines Fußballerlebens noch viel weniger geschehen als ohnehin schon. Bei dieser WM wird es (aller Voraussicht nach) kein Abseitstor geben. Das ist ohnehin die größte Errungenschaft der neuen Technik, damit ist schon viel geschafft. Zumal das System bei der WM noch besser umgesetzt wird als etwa in der Bundesliga. Die Linienrichter sind nämlich angehalten, beim tödlichen Pass in die Tiefe die Fahne zunächst unten zulassen, selbst wenn sie von einer knappen Abseitsstellung ausgehen. Fällt dann ein Treffer, können sie diese anzeigen und das Tor überprüfen lassen. Das ist eine enorme Verbesserung, denn diese Regel hebt die Ungleichbehandlung von Abseitsstellungen durch den Videobeweis weitgehend auf. In der Bundesliga waren nämlich die Angreifer die Gelackmeierten. Erzielten sie ein Tor, gab es immer die Abseitsprüfung, wurde ihnen aber ein vielversprechender Angriff zu Unrecht vom Linienrichter unterbunden, guckten sie in die Röhre.
3. Wenn eingegriffen wurde, lagen die Assistenten immer richtig
In der abgelaufenen Bundesliga-Saison war die ein oder andere Entscheidung auch trotz der neuen Technik strittig, etwa das BVB-Tor gegen Köln, das auch mit Videobeweis eigentlich nicht hätte zählen dürfen, weil das Spiel abgepfiffen war, bevor der Ball über der Linie rollte. Bei der WM gab es derlei Aufregung um den Videobeweis bislang noch nicht. Das System funktioniert einwandfrei. Das ist besonders erfreulich ob des nicht immer gleich hohen Schiedsrichter-Niveaus bei Weltmeisterschaften. Da ist es doch schön, ein Sicherheitsnetz zu haben. Ganz ohne Diskussionen kommt man aber auch mit funktionierendem Videobeweis-System nicht aus. Etwa nach dem ersten Treffer Diego Costas gegen Portugal, als er Pepe brutal mit dem Arm am Hals traf, bevor er zum 1:1 einnetzte. Auch die beste Technik kann eben nicht alle strittigen Szenen eines Spiels eliminieren. Aber das will ja auch niemand. Worüber sollte man denn sonst diskutieren?
