Diesen Text haben wir für Sie.....
...... in der Financial Times Deutschland gefunden.
Wenigstens ein bisschen spielen hat er können. Deshalb fährt er ja hin. Ein wenig abschalten, Freunde treffen, sich regenerieren. Die Füße hochlegen und ein paar Mal gegen den Ball treten, gebettet in einem Hotel der besten Kategorie, bestens umsorgt von vielen dienstbaren Leuten. Das braucht er ein paar Mal im Jahr, denn der Job macht ihn fertig.
Miroslav Klose fährt gerne zur Nationalelf. Das ist verständlich. Denn die DFB-Auswahl ist für ihn ungefähr das, was für gestresste Manager der Wellness-Urlaub am Starnberger See ist. Im letzten Jahr schoss er sich mit drei Toren gegen Finnland vorübergehend aus einer Starre, die den Torjäger über Wochen lahmgelegt hatte. Zwar bekommt der 31-jährige Angreifer keine Moorpackungen und wird mit ziemlicher Sicherheit auch nicht Federball spielen. Aber auch für ihn geht es darum, aufzutanken, denn die Welt hat sich wohl gegen ihn verschworen. Louis van Gaal, der neue Coach der Bayern, schätzt ihn offenbar nicht sonderlich. Er hat Mario Gomez als Mittelstürmer gesetzt und einen Narren an den unermüdlichen Tempoläufen des Kroaten Ivica Olic gefressen. Und weil Gomez auch das Trikot der deutschen Nationalelf trägt, ist der klubinterne Konkurrenzkampf gleichzeitig auch einer um die Position des Angriffsführers in der WM-Qualifikation.
Der hieß Klose - Jahr für Jahr, ohne Debatte. Bis er im Sommer 2007 von Bremen zu den Bayern wechselte und an der Seite des Italieners Luca Toni mehr und mehr untergebuttert wurde. So kam es, dass im letzten Jahr die Mitspieler ihn fast mit Gewalt dazu zwingen mussten, einen Elfmeter zu treten - damit Klose endlich mal wieder erfolgreich ist. Der beinahe handgreifliche Zuspruch hatte offenbar gutgetan, Klose traf wenigstens.
Kloses Lage wird nicht einfacher
Dauerhaft war dieses Glück nicht. So kann sich Klose heute fragen, was er ohne Bundestrainer Joachim Löw, der nibelungentreu an ihm festhält, wäre? Hätte der Bundestrainer nicht die Neigung, formstarke Nachwuchsleute wie den Leverkusener Stefan Kießling zu ignorieren, wäre Klose zurzeit vermutlich nicht im Kader. Da gibt es andere. Gomez trifft endlich auch im Nationalteam, die Formkrise von Lukas Podolski ist noch nicht lang genug, als dass Löw ihn fallen lassen würde, und übersteht Leverkusens Patrick Helmes seinen Kreuzbandriss, dann wird die Lage für Klose gewiss nicht einfacher - zumal Löw in höchster Not auch noch den Stuttgarter Cacau vorziehen könnte. Spielt die Mannschaft zudem mit zwei starken Außen, wie es bei der letzten EM mitunter recht passabel gelang, käme das Team mit nur einem Mittelstürmer aus. In Österreich und der Schweiz war es Klose, der diesen Job tadellos tat.
Doch mittlerweile hat er sich auch im Nationalteam der Bayern-Performance angeglichen. Der Klub hat allem Anschein nach ein atmosphärisches Problem, er ist das Gegenteil von der allenthalben propagierten Leistungsgesellschaft für Spitzenkräfte: Besser wird kaum einer in München, und Klose gehört zu denjenigen, die sich von zeitweiliger Weltklasse ins bestenfalls gehobene Bundesliganiveau gespielt haben - eine Entwicklung, die auch Toni, Podolski und Bastian Schweinsteiger gelang. Liegt es an der sozialen Hängematte? Doch macht im Fall Schweinsteiger dessen muntere Präpotenz jedes Hinterfragen der eigenen Leistung unmöglich, ist Klose das genaue Gegenteil: ein stiller Zeitgenosse, dessen Selbstzweifel das für einen Fußballprofi gesunde Maß schnell übersteigen können. So verriet er unter der Woche, dass er sich selber für seine letzten Einsätze bei den Bayern "noch deutlich schlechtere Noten gegeben" hätte, als es die Kritiker getan haben. Das war nun auch wieder nicht nötig, denn als es bei den Bayern nicht lief, war er nur einer von vielen. Hilfe von Aserbaidschan
Dabei kann er doch so viel. Seine Ballmitnahme war einzigartig. Und er vermochte eine Abwehr mit dem Ball am Fuß aufzureißen. Er hatte eine fabelhafte Dynamik, ein blendendes Spielverständnis und ein Kopfballspiel, das im Weltfußball in guten Augenblicken konkurrenzlos war. Er war nicht nur der beste Angreifer der Bundesliga. Er hat - für Werder Bremen - die Abwehr des FC Barcelona schwindelig gespielt. Er war bei der WM in Deutschland der beste Stürmer, gewann den goldenen Schuh mit fünf Treffern. Und er war dabei sogar noch altruistisch, als er dem Kollegen Podolski Tor um Tor auflegte. Es gab wenige Stürmer, die die Fähigkeiten von Klose vereinten. Samuel Eto'o, der Barcelona zweimal zum Champions-League-Titel schoss, ist so einer, er perfektionierte sein Spiel von Saison zu Saison. Genau das hatten Kritiker auch von Klose erwartet. Einstweilen kann ein bisschen Spielpraxis im Nationalteam nicht schaden. Bisher haben die Bayern noch immer von Kloses Kurzurlauben profitieren können. Vielleicht hilft heute ja schon Aserbaidschan (20.45 Uhr, ZDF).