FC Liverpool vs. FC Brentford Abneigung gegen das "Englische": Warum Liverpooler Fans ein Pfeifkonzert bei "God save the King" anstimmen werden

Ein Liverpool-Anhänger in der "Kop"
Ein Liverpool-Anhänger in der "Kop"
© Clive Brunskill / Getty Images
In den Stadien der Premier League wird anlässlich der Krönung von Charles III. vor den Spielen die Nationalhymne gesungen. In Anfield beim FC Liverpool wird es dann ein lautes Pfeifkonzert geben. Viele "Liverpudlians" mögen einiges, wofür England steht, nicht so sehr.

Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, unterstützt den Klub in seiner Absicht, die Nationalhymne "God save the queen" im Stadion in Anfield vor dem Spiel gegen den FC Brentford zu spielen. Anlass ist die am gleichen Tag stattfindende Krönung von Charles III. Der Standpunkt des Vereins sei auch sein Standpunkt, sagte Klopp am Freitag. "Abgesehen davon ist das ... ein Thema, zu dem ich keine richtige Meinung haben kann. Ich bin aus Deutschland. Wir haben keinen König", erläuterte Klopp.

Was dem Deutschen Klopp nicht schwerfällt, geht vielen Liverpooler Fans gegen den Strich. Wenn sich Spieler und Offizielle um kurz vor 18.30 Uhr zur Hymne im Mittelkreis aufstellen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit laute Buh-Rufe und Pfiffe durch das Stadion hallen. Der Verein schrieb in seiner offiziellen Mitteilung vorausschauend: "Es ist natürlich eine persönliche Entscheidung, wie diejenigen, die am Samstag in Anfield sind, diesen Anlass begehen, und wir wissen, dass einige Fans starke Meinungen dazu haben", hieß es. Der FC Liverpool steckt gewissermaßen in einer Zwickmühle, denn das Abspielen der Hymne folgt dem Wunsch der Liga, die darauf gedrungen hatte.

Viele Liverpooler lehnen Nationalhymne ab

Es ist nur so, dass die Hymne in der Stadt wie unter sehr vielen Liverpool-Fans abgelehnt wird. Schon seit langem wird sie traditionell bei Pokalfinalspielen im Wembley-Stadion auspfiffen. Die Anhänger machen damit ihre Abneigung gegen die konservative britische Elite deutlich. Am vergangenen Mittwoch sangen die Liverpool-Fans beim Spiel gegen Fulham sogar ein Spottlied gegen die Krönung.

Die Abneigung der Fans hat historische Gründe. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte man in der einstigen Industrie- und Hafenstadt das Gefühl, dass sich die Regierung in London oft nicht genug gegen den Niedergang der Stadt gestemmt habe. Besonders die Regierungszeit von Margaret Thatcher in den Achtzigerjahren hat zur Verschlechterung des Verhältnisses beigetragen. Während Armut und Arbeitslosigkeit in der Stadt explodierten, unternahm die Thatcher-Regierung wenig bis gar nichts, um Liverpool zu stützen. Im Gegenteil, sie kürzte zusätzlich öffentliche Leistungen. 30 Jahre später wurden Akten freigegeben, die den Verdacht vieler Liverpooler bestätigten. Minister ihres Kabinetts hatten Thatcher sogar gedrängt, Liverpool so gut wie aufzugeben.

Verstärkt wird die Abneigung durch eine ausgeprägte, eigene Identität. Bei Heimspielen zeigen Fans regelmäßig eine Fahne auf der steht: "Scouse not english (Scouse nicht englisch)". Scouse ist der Dialekt, den man in Liverpool spricht, und in dem zahlreiche Wörter vorkommen, die es im Englischen nicht gibt. Liverpool nahm einst zahlreiche irische Auswanderer auf und ist als Hafenstadt international geprägt ist. Die Stadt hat mit die ältesten afrikanischen und chinesischen Gemeinschaften im Königreich. Das förderte eine gewisse anti-englische bzeziehungsweise eine eigenständige Haltung.

Die unrühmliche Rolle der Behörden bei der Hillsborough-Katastrophe

Ähnlich gestört war das Verhältnis im Fußball. Einer der Gründe ist die Hillsborough-Katastrophe in Sheffield im April 1989. Im Spiel zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest kamen damals im April 1989 in einer Massenpanik 97 Menschen zu Tode. Lange galt die offizielle Erklärung der Behörden, dass das Verhalten der Fans das Unglück verursacht hatte. Erst vor wenigen Jahren wurde diese Haltung revidiert. Eine Untersuchungskommission kam zum dem Ergebnis, dass die Hillsborough-Katastrophe hauptsächlich durch Fehler der Polizei ausgelöst worden war. Der damalige Premierminister David Cameron, die zuständige Polizei und der englische Fußball-Verband entschuldigten sich offiziell.

Die Abneigung gegen England färbte sogar auf Spieler ab. Es gab in der Vergangenheit "Liverpudlians", die sich weigerten, in der Nationalelf zu spielen. Noch im Juni 2022 blieb der Liverpooler Nationalspieler Alexander Trent-Arnold bei einem Länderspiel gegen Ungarn stumm, während seinen Teamkollegen die Nationalhymne sangen. Er wurde dafür in den sozialen Medien heftig kritisiert.

Dennoch hat sich seit den unseligen achtziger Jahren einiges geändert. Liverpool hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in ein wichtiges sportliches und kulturelles Zentrum gewandelt, nur die Abneigung gegen die konservative Partei, die Tories, und die englische Elite sind geblieben. Und die englische Hymne und die königliche Familie werden von vielen stellvertretend dieses "Englische" angesehen. Klopp wird es am frühen Samstagabend zu hören bekommen.

Quellen: DPA, "Goal", "Nationalworld"

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