Maßlosigkeit ist an der Tagesordnung in diesen Tagen von Vancouver. Da wird die Todesstrafe für Doper gefordert, da erklären sich Olympiasieger selbst zu Legenden und die olympische Damenabfahrt wird in einem Atemzug mit der Todesfahrt im Eiskanal genannt.
In allem ist ein Maß - die Probleme, die die meisten Skifahrerinnen mit der Olympiaabfahrt hatten, waren natürlich offensichtlich; schaltete man spontan auf das Programm, wusste man bei mancher Läuferin nicht, ob man gerade bei Ski Alpin, Freestyle, Eiskunstlaufen oder Skispringen gelandet war. Nur eine Handvoll Starterinnen hatten die Strecke gut im Griff. Die meisten und da ist die Siegerin inbegriffen, kamen nicht ohne Fehler ins Ziel.
Martina Ertl
Die ehemalige deutsche Weltklasse-Skirennläuferin Martina Ertl schreibt in ihrer täglichen Kolumne "Après Ski" auf stern.de direkt aus Vancouver von den Olympischen Winterspielen. Um die Jahrtausendwende gehörte Martina Ertl mehr als zehn Jahre zu den weltweit besten Athletinnen im alpinen Rennzirkus. Sie gewann drei olympische Medaillen und wurde zweimal Weltmeisterin. In den Jahren 1996 und 1998 konnte sie jeweils die Riesenslalom-Disziplinenwertung des Skiweltcups für sich entscheiden. Insgesamt gewann sie 14 Weltcuprennen in drei verschiedenen Disziplinen. In allen fünf alpinen Disziplinen erzielte sie mindestens einen Podestplatz.
Pistenmacher sind unschuldig
Die Pistenmacher dafür anzugreifen, geht fehl. Parallelen zum Eiskanal sind überzogen. Schuld an dem Dilemma waren die Wetterkapriolen und die damit verbundenen Trainingsausfälle und -verschiebungen.
Die olympische Abfahrt war anspruchsvoll und erforderte viel technisches Vermögen; die Streckenführung stand im Kontrast zu dem, was einem im Weltcup zuletzt abverlangt wurde. In den letzten Rennen hatten es die Athletinnen mit perfekt präparierten Pisten zu tun, bei Gleitfähigkeit und Material eine wesentlich größere Bedeutung hatten. Die Whistlerstrecke war der Gegenentwurf, eine Herausforderung für wirkliches Skifahren. Das allein hätte sich noch nicht zum Problem verdichtet. Fatal hat sich die mangelnde Vorbereitung ausgewirkt.
Während die Damen innerhalb des Weltcups in der Regel drei Trainingsfahrten haben, konnten die Athletinnen diese - wohlgemerkt anspruchsvolle - Strecke im Ergebnis kein einziges (!) Mal in voller Länge abfahren. Das einzige Training wurde bekanntlich zweigeteilt. Einmal durfte man den oberen Teilabschnitt befahren, später den unteren Abschnitt. Als die Damen auf die Piste gingen, befuhren sie diese praktisch zum ersten Mal. Wenn die Streckenführung auch noch derart anspruchsvoll ist, passieren Fehler oder eben auch Stürze. Hier hätten die Organisatoren eingreifen müssen.
Vonn hat Gold verdient
Zum Ergebnis: Lindsay Vonn hat dem Druck standgehalten, die beste Skifahrerin an diesem Tag holte verdient Gold, Julia Mancuso erzielte einen echten Achtungserfolg, nachdem es im Weltcup nicht mehr so lief. Maria Riesch hatte Pech: Vor ihrem Start ereigneten sich viele Ausfälle, die sie zum Warten zwangen, was sie sicherlich beeinträchtigt hat.
Ich bin gespannt darauf, wie das Duell der beiden besten Fahrerinnen Vonn und Riesch nun weitergeht. Das Gute ist, dass Maria schon immer jemand war, der die Fähigkeit zum Kontern hat. Wir werden sehen.
Viele Grüße,
Martina Ertl