Der Ernstfall sieht so aus: Die Zufahrtsstraße vom Flughafen Heathrow in die Stadt wird zum Nadelöhr. Eine Fahrspur darf nur noch von Olympioniken und ihren Helfern befahren werden. Der Berufsverkehr verwandelte sich sofort in einen Parkplatz. Stau auf mehr als 50 Kilometer Länge. Das ist erst der Anfang. Bald werden 180 Kilometer Londoner Straße zum großen Teil für Normalsterbliche gesperrt sein.
Während Londoner in ihren Autos festsaßen, verfuhren sich die ersten Mitglieder der olympischen Teams aus Australien und den USA. Vier Stunden brauchten ihre Mannschaftsbusse von dem Airport bis zum olympischen Dorf in Heathrow, trotz Sonderfahrspuren. Der Grund: Die Busfahrer hatten keine Ahnung, wo es hinging, und kutschierten die müden Athleten und Helfer quer durch London, vorbei am Buckingham Palast und dem Fußball-Stadion des West-Ham-Teams in Ostlondon, Meilen entfernt vom Olympia-Park.
Die Australier landeten nur an ihrem Ziel, weil ein Arzt dem Busfahrer den Weg auf seinem Iphone zeigte. Der Weltmeister im 400-Meter-Hürden-Lauf, der Amerikaner Kerron Clement, tweetete: "Kein guter erster Eindruck von London. Wir Athleten sind müde, hungrig und müssen pinkeln. Könnten wir bitte endlich ankommen?"
Derweil haben 300 gut ausgebildete Spürnasen ganze andere Sorgen. Sie sollen in Geschäften und Restaurants der britischen Hauptstadt nach nicht genehmigten Anspielungen auf die Spiele und illegal platzierten olympischen Ringen fahnden. Auf Speisekarten und in Schaufenstern dürfen von den Hauptsponsoren des Spektakels besetzte Worte wie "2012", "Medaillen", "Gold", "Silber" und "Bronze" sowie absurderweise "Sommer" nicht mehr vorkommen. Sonst drohen empfindliche Strafen bis zu 25.000 Euro.
Wenn alles schief läuft
Nicht, dass viele Menschen in London im Moment in Versuchung kommen, mit dem Sommer zu werben. Nach dem dritten Monat mit Novemberwetter, Überschwemmungen und tiefhängenden grauen Wolken, haben die meisten die Hoffnung auf Besserung aufgegeben. Es steht so schlimm um die Wetter-Moral, dass die Beachvolley-Athletinnen Leggings und Sweathshirts anziehen können bei ihren Wettkämpfen, wenn die Temperaturen weiter unter 16 Grad liegen. "Beach Bummer", titelte die Boulevard-Zeitung "The Sun" über dem Bild eines Bikini-bekleideten Athleten-Popos.
Man könnte meinen, ein Gott des britischen Humors hätte beschlossen, die Inselbewohner mit genug Material für die nächsten Jahre zu versorgen. Denn zu dem Verkehrschaos, den absurden Olympia-Regeln und dem miesen Wetter gesellt sich Inkompetenz von atemberaubender Wahnwitzigkeit.
Sicherheitslücken durch Datenbankfehler
Die private Sicherheitsfirma G4S ist nicht in der Lage, 16.000 rekrutierte Angestellte zur richtigen Zeit an die richtigen Orte zu lenken. Schuld daran soll die Computersoftware einer Datenbank sein, die nicht richtig funktioniert. Tatsache ist, dass niemand weiß, wo wie viele Sicherheitsleute auftauchen werden in den nächsten Wochen. Und ob diese Leute dann Englisch sprechen oder eine Flasche mit Flüssigsprengstoff von Wodka unterscheiden können. Erfahrene Sicherheitsexperten kritisieren die lasche Ausbildung schon seit langem. In einem Test mit einer Röntgenmaschine erkannten die zukünftigen Olympia-Pförtner Handgranaten und Waffen nicht, in einem anderen Fall ließen sie einen Mann mit einer Pistole in der Socke durch die Absperrungen.
Stattdessen sollen nun Soldaten, viele frisch zurückgekehrt von der Front in Afghanistan, Athleten und Zuschauer bewachen und im Zweifel auch an den Eingängen abtasten. Dafür müssen sie lang geplante Urlaube absagen und werden in einer alten Lagerhalle für Tabak schlafen müssen, auf Feldbetten und unter Plastikplanen. Die Begeisterung hält sich entsprechend in engen Grenzen. Vor allem, weil viele längst wissen, dass sie bald entlassen werden von einem Land, dass jetzt wieder so tut, als könne es ohne seine Heldenarmee nicht überleben.
Militär schützt sich mit Behelfsmaßnahmen vor Terrorangriffen
Und während zehntausende Soldaten in der Hauptstadt versuchen, die Spiele zu sichern, müssen die Militärstützpunkte irgendwie versuchen, keine Angriffspunkte für gefürchtete Terrorangriffe zu bieten. Die Royal Airforce in Coningsby, Lincolnshire, hat vier Typhoon-Kampfflugzeuge und viele Soldaten nach London abkommandiert – und behilft sich nun mit radikalen Maßnahmen: Plane-Spotter sollen am Zaun um die Anlage patrouillieren und verdächtige Individuen oder Autos melden. Die letzte Bastion der Briten ist angetreten.