Doping bei der Tischtennis-EM Von Tunern und Boostern

Misstrauen, Unverständnis und gegenseitige Betrugsverdächtigungen: Das Thema Doping hat bei der EM in St. Petersburg auch das Tischtennis erreicht. Allerdings steckt die verbotene Substanz nicht im Spieler.

Seit kurzem ist jegliche Manipulation von Schläger-Belägen verboten. Es scheren sich aber offenbar nur wenige darum. "Ich will keine Namen nennen, aber hier halten sich einige Spieler nicht an die Regeln", schimpfte Bundestrainer Richard Prause. Co-Trainer Jörg Roßkopf schätzt die Zahl der Betrüger auf 70 Prozent, Österreichs Ex-Weltmeister Werner Schlager geht sogar von bis zu 90 Prozent aus. Wer einen sauberen Schläger hat, ist deutlich im Nachteil. Bis zu 20 Prozent langsamer kann das Spiel ohne jegliche Manipulation sein.

Der Weltverband ITTF trägt an der Situation zumindest eine Teilschuld. Er hatte zunächst das Frischkleben verboten, weil der Kleber gesundheitsschädliche Lösungsmittel enthält. Die Industrie reagierte und entwickelte Zusatzstoffe, so genannte Tuner und Booster, um das Verbot zu umgehen. Vor wenigen Wochen gab dann die ITTF bekannt, dass jegliche Manipulation verboten sei und damit auch Tuner und Booster. Seit 1. September wird gemessen.

Roßkopf erzürnt

Das Problem besteht allerdings darin, dass die Messgeräte zwar Frischkleber erkennen, nicht aber Tuner und Booster. Die Spieler können ihren Schläger somit gewissermaßen an den erlaubten Grenzwert herandopen. "Wir brauchen strengere Regularien. Spätestens bis zur WM in Yokohama im Frühjahr müssen wir das Problem im Griff haben. Es muss viel mehr kontrolliert werden", sagt Prause. Er hält den Grenzwert für ein Vielfaches zu hoch.

ITTF und der europäische Verband ETTU machen den Betrügern das Leben zu leicht. Kontrolliert wird kaum, und wird ein Schläger vor dem Spiel positiv getestet, kann der Spieler einfach auf sein Ersatzgerät zurückgreifen. "Das ist doch ein Witz", meint Roßkopf: "Es muss bei jedem Spiel gemessen werden." Geht es nach dem Rekordnationalspieler, müsse es für erwischte Spieler zudem Vertragsstrafen seitens der Ausrüster hageln.

Tuscheln und Mauscheln

Neue Messgeräte befinden sich zurzeit noch in der Entwicklung. Bundestrainer Prause fordert deshalb drastische Maßnahmen. "Man kann stichprobenartig ab dem Viertelfinale die Beläge einsammeln und sie in die Labore schicken. Ist der Schläger manipuliert, wird der Athlet eben nachträglich disqualifiziert", sagt der 40-Jährige. Doch so lange die Situation unklar ist und der Betrug nicht einwandfrei nachgewiesen werden kann, gehen viele Spieler den leichten Weg mit Tunern und Boostern. In der Szene wird bis dahin weiter getuschelt und gemauschelt. Eine Situation, die das eigentlich faire Tischtennis unnötigt ins Zwielicht rückt.

Tischtennis gespielt wurde in St. Petersburg übrigens auch - ob nun mit oder ohne verbotene Schläger-Beläge. Titelverteidiger Timo Boll ist mit einem klaren 4:0-Sieg gegen Olegs Kartuzovs aus Lettland in das Einzelturnier bei der Tischtennis-EM in St. Petersburg gestartet. Die Zweitrunden-Partie war am Donnerstag eine lockere Trainingseinheit für den Weltranglisten-Siebten. Eine unliebsame Überraschung erlebte dagegen sein Doppelpartner Christian Süß. Der Olympia-Zweite mit dem Team schied durch eine 2:4-Niederlage gegen Daniel Zwickl aus Ungarn frühzeitig aus. Neben Boll qualifizierten sich auch Bastian Steger, Patrick Baum, Dimitrij Ovtcharov und Zoltan Fejer-Konnerth für den dritten Durchgang.

sid/kbe

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