DROGENKONSUM Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ullrich

Obwohl der Radrennprofi Ullrich seine Unschuld beteuert, hat die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet.

Ein Geständnis und die Ankündigung eines Comebacks soll für Jan Ullrich der erste Schritt aus der selbst eingestandenen Lebens-Krise sein. Der 28-jährige Rad-Olympiasieger hat sich heute schuldig bekannt und seinen positiven Doping-Befund mit der Einnahme von Tabletten erklärt, die er am 11. Juni in einer Diskothek erhalten hätte. »Es war eine Riesendummheit, die unverzeihlich ist, aber kein Doping, um jemanden zu betrügen«, sagte der Tour-de-France-Sieger von 1997 auf einer Pressekonferenz in den Räumen des Landessport-Bundes Hessen in Frankfurt, die von der ARD, Mitsponsor des ins Gerede gekommenen Telekom-Teams, live übertragen wurde.

Ullrich muss jetzt mit einer Sperre zwischen sechs und zwölf Monaten rechnen. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. »Der heutigen Pressekonferenz habe ich entnommen, dass er einräumt, Tabletten genommen zu haben« und dass es dabei zur Aufnahme von Amphetaminen gekommen sei, sagte Oberstaatsanwalt Eduard Mayer dem Zweiten Deutschen Fernsehen. »Wie auch immer, fest steht, er hat ein derartiges Mittel, dass unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, aufgenommen«, so Mayer weiter, »und dies ist für uns Anlass, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, und das haben wir zwischenzeitlich auch getan.«

Ullrich hatte erklärt, er habe am Abend vor dem Doping-Test mit Bekannten ein Lokal aufgesucht und »einiges getrunken«. Dabei habe ihm jemand zwei Tabletten gegeben. Ullrich verzichtete auf die Öffnung der B-Probe und erkannte das Ergebnis der A-Probe an. Jetzt wird ein Verfahren vor dem dreiköpfigen Sportgericht des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) eröffnet. Das Gericht werde »zügig« ein Urteil fällen, sagte BDR-Präsidentin Sylvia Schenk.

Den Vorwurf des bewussten Dopings wies Ullrich entschieden zurück. »Ich betrüge keinen, sowieso nicht«, sagte er, »es waren keine unfairen Mittel zur Leistungssteigerung.« Gleichzeitig kündigte Ullrich, der wegen langwieriger Knie-Probleme in diesem Jahr erst ein Rennen im Januar bestritten hat und die Tour de France absagen musste, sein Comeback an. »Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich bin jetzt ganz unten und will wieder ganz nach oben. So kann ich meine Karriere nicht beenden«, sagte Ullrich.

Wir haben eine Verantwortung für den Menschen Jan Ullrich»

Der gebürtige Rostocker, der nach dem Tour-Skandal von 1998 gefordert hatte, überführte Doper lebenslang zu sperren, will sich jetzt mit seiner Freundin Gaby Weiß »zurückziehen und alles überdenken«. Er werde »sein ganzes Leben umstellen«.

Für Ullrichs »Leben« sei es wichtig, »dass er als Sportler zurückkehrt«, meinte Telekom-Teamchef Rudy Pevenage. Allerdings hatte der Telekom-Kapitän schon in weniger dramatischen Situationen, nach seiner Tour-Niederlage 2000 etwa, radikale Besserung, angemessenen Trainingseifer und professionelle Disziplin versprochen. Ähnlich reumütige Worte waren auch nach seiner Crashfahrt unter Alkohol vom 1. Mai in Freiburg zu hören gewesen.

Bei einer unangemeldeten Kontrolle der deutschen Anti-Doping-Kommission (ADK) in der Rehabilitation nach einer Knie-Operation war bei Ullrich am 12. Juni das Stimulanzmittel Amphetamin nachgewiesen worden. Ullrich war darauf hin von seinem Arbeitgeber Team Telekom beurlaubt worden und müsste theoretisch sogar mit der Entlassung rechnen. »Wenn Ullrich nach positiver A- und B-Probe vom Sportgericht wegen Dopings rechtskräftig verurteilt wird, müssen wir ihn entlassen. So steht es in unseren Fahrerverträgen«, hatte Teamsprecher Olaf Ludwig nach Bekannt werden des Dopingverdachts erklärt. Ullrich nannte die Beurlaubung »absolut gerechtfertigt«. Über die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses konnte er noch nichts sagen: »Wir haben gute Gespräche gehabt, ich kriege Unterstützung. Genau kann man das noch nicht sagen.«

Telekom-Kommunikations-Direktor Jürgen Kindervater bekräftigte am Samstag in Frankfurt die seit Tagen ausgesandten Signale, an Ullrich festzuhalten: »Wir haben eine Verantwortung für den Menschen Jan Ullrich, er hat uns viel gegeben und hat Anspruch darauf, dass wir jetzt für ihn da sind. Wir werden in der nächsten Woche beraten, wie es weiter geht und sollten ihm die Chance geben, zu zeigen, dass er zurückkommen will.« Der mit etwa zwei Millionen Euro dotierte Jahresvertrag mit Ullrich läuft im kommenden Jahr aus. Allgemein wird damit gerechnet, dass Telekom zumindest so lange im Radsport noch weiter macht. Ob die Optionen für 2004 und 2005 in Anspruch genommen werden, ist fraglich, zumal sich die Bonner mit großem finanziellen Engagement jetzt auch anderen Werbepartnern (Bayern München, Steffie Graf, André Agassi) zugewandt haben.

Obwohl Ullrich de facto gegen geltende Anti-Doping-Regeln verstoßen hat, sieht auch Ludwig (»Sein Verhalten ist nicht entschuldbar«) den Fall wie der Betroffene differenziert. »Das nachgewiesene Amphetamin sollte ihm kein Leistungshoch bringen, sondern ihn aus einem Stimmungstief holen. Das war kein Doping. Er hat sich einen Augenblick vergessen«, sagte der Teamsprecher, in Personalunion auch BDR-Vize.

Andreas Zellmer und Rainer Fülscher, dpa

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