US Sport Kentuckys One Hit Wonders gewinnen NCAA-Turnier

Der haushohe Favorit Kentucky gewann das NCAA-Turnier im College-Basketball gegen Kansas. Das Team voller Teenager, die wohl bald in der NBA spielen werden, ist aber nicht nur eines der besten aller Zeiten, sondern auch eines der umstrittensten und könnte das ganze System des Collegesports zum Einsturz bringen, wie wir befürchten.

Mit 67:59 haben sich die Kentucky Wildcats im Finale des "March Madness" genannten, aber im April beendeten College-Turniers im Basketball gegen die Kansas Jayhawks durchgesetzt und damit den achten Titel in der Geschichte ihrer Universität errungen. Vor mehr als 70.000 Zuschauern im Superdome von New Orleans setzten sich die favorisierten Wildcats erwartungsgemäß durch, leisteten bei aller Brillanz damit aber auch einen Beitrag zur Infragestellung des ganzen Collegesports in den USA.

Superstar Anthony Davis, der mutmaßliche Nummer-eins-NBA-Pick dieses Jahres, traf  nur mit einem von zehn Versuchen aus dem Feld, glänzte aber mit seinem Defensivspiel, 16 Rebounds und sechs Blocks. Doron Lamb erzielte 22 Punkte für Kentucky, bei Kansas brillierte Thomas Robinson mit 18 Punkten und 17 Rebounds, Tyshawn Taylor machte 19 Punkte für die Jayhawks.

Im Endspiel trafen die beiden erfolgreichsten Universitäten in der Geschichte des College Basketballs im Traumfinale "UK" gegen "KU" aufeinander - die University of Kentucky, die Wildcats, und die Kansas University, die Jayhawks. Noch nie waren sich diese beiden Schulen in einem Final Four-Spiel begegnet, was statistisch gesehen ebenso unwahrscheinlich war wie der Umstand, dass es bis 2002 dauerte, bis Brasilien und Deutschland erstmals ein WM-Spiel gegeneinander bestritten.

Grobe Ungerechtigkeit des Collegesports

Das Collegesystem ist in jüngster Zeit unter massive Kritik vieler Medien und Politiker geraten, am Wochenende vor dem Final Four auch in der New York Times. Mit der Veranstaltung allein des NCAA-Turniers im Basketball nehmen die Universitäten in diesem Jahr nach Schätzungen der Zeitung rund 800 Millionen Dollar ein. Der Pulitzer-Preis-Gewinner Taylor Branch, ein Autor von historischen Sachbüchern, wies schon im Herbst in der Zeitschrift The Atlantic darauf hin, dass alleine die 14 Universitäten der Southeastern Conference (SEC), zu der auch Kentucky gehört, pro Jahr mehr als eine Milliarde Dollar einnehmen - vor allem dank des lukrativen Fernsehvertrags mit CBS für die Übertragung ihrer Footballspiele.

Die Sportler aber gelten offiziell als Amateure und dürfen keinen Cent verdienen. Kein Wunder, dass viele junge Männer nicht die vier vollen Jahre an der Universität zubringen, um ihren Abschluss zu machen, sondern bei erstbester Gelegenheit in eine Profiliga wechseln.

Genau auf diesem Modell basiert auch der Erfolg der University of Kentucky und ihres Trainers John Calipari. Im Finale bestand die Starting Five der Wildcats aus drei Freshmen, also Studenten im ersten Jahr, und zwei Sophomores, die im zweiten Schuljahr an der Universität in Lexington eingeschrieben sind. Demgegenüber bestand das Team von Kansas ausschließlich aus Juniors und Seniors, also Studenten im dritten oder vierten Studienjahr.

One and done: Das Prinzip Kentucky

Calipari, der keinen Hehl daraus macht, die sogenannten "One-and-done"-Studenten, die nur das eine, von der NBA vorgeschriebene Jahr an der Uni verbringen, bevor sie Profis werden, gezielt zu rekrutieren, hatte bereits mit zwei früheren Colleges das Final Four erreicht. Beide Erfolge, mit Massachusetts 1996 und mit Memphis 2008, waren nachträglich aberkannt worden. Einer seiner Spieler bei UMass, Marcus Camby, wurde  der Annahme von Zahlungen von Spielervermittlern überführt, und der heutige Chicago Bulls-Star Derrick Rose, Caliparis Star in Memphis, soll bei seinem College-Aufnahmetest betrogen haben.

In Kentucky aber hat Calipari nun endlich einen wohl legalen - wenn auch von vielen neutralen Beobachtern kritisch kommentierten - Triumph erzielt. Zwei der Freshmen von Kentucky gelten als wahrscheinliche Nummern eins und zwei in der kommenden NBA Draft: der sensationelle Anthony Davis, der 2,08m große und 100kg schwere Center, dessen Blocks und Rebounds schon mit gerade einmal 19 Jahren die Qualität des Defensivspiels der meisten NBA-Profis übertreffen, und Forward Michael Kidd-Gilchrist, der übrigens mit Marquis Teague, einem weiteren Kentucky-Freshman und zukünftigen NBA-Star, vor zwei Jahren in Hamburg U17-Weltmeister wurde.

Alle drei werden wohl bald schon Profis werden - so wie John Wall, der nach nur einem Jahr bei den Wildcats vor zwei Jahren als Nummer eins des NBA Drafts von den Washington Wizards verpflichtet wurde. Genau von den Wizards, die nach Aussage von Charles Barkley, des ehemaligen NBA-Stars und heutigen ESPN-Experten, keine Chance in einem Spiel gegen Kentucky hätten.

2012, das Jahr der großen Namen

Keine echte Chance hatte im Finale letztlich auch Kansas, dessen siebte Saisonniederlage das Endspiel war (Kentucky hatte nur zwei), und das sich im Verlauf des Turniers bereits in den Spielen gegen Purdue und North Carolina State schwer getan hatte, während Kentucky selbst das Halbfinale gegen den Lokalrivalen Louisville letztlich ohne Zittern über die Bühne gebracht hatte.

Das Final Four war nach Jahren der Überraschungen (die kleine Uni Butler aus Indianapolis hatte 2010 und 2011 jeweils das Finale erreicht) ein Stelldichein der großen Namen gewesen, denn alle vier Teams hatten bereits einmal den Titel gewonnen. So war das Tournament nach anfänglichen Paukenschlägen, als mit Missouri (gegen Norfolk State) und Duke (gegen Lehigh) zwei Topfavoriten gleich in der ersten Runde an krassen Außenseitern gescheitert waren, dann letztlich doch noch in geordneten Bahnen verlaufen.

Aber dieses Kentucky-Team, das in der Superlativlastigen Welt des Sportjournalismus von vielen schon als bestes aller Zeiten tituliert wurde, spielte auch im letzten Spiel der Saison in einer eigenen Liga.

Immerhin noch etwas Spannung in der Schlussphase

Im Finale antworteten die Wildcats immer dann, wenn die Jayhawks gerade auf so etwas wie zehn Punkte herangekommen waren, gleich wieder mit einem neuen Lauf. Nach 18 Punkten Halbzeitführung und schwankenden, aber immer zweistelligen Margen wurde das Spiel dann in den letzten drei Minuten auf einmal noch spannend.

Nur noch mit fünf Punkten vorne, verursachte Davis fast einen Turnover, wurde aber vom Teamkollegen Terrence Jones gerettet und holte zwei Freiwürfe heraus, von denen er aber nur einen verwandeln konnte. Bei nun sechs Punkten Abstand hatte Kansas wieder den Ball, und nach einer schönen Kombination setzte Tyshawn Taylor zum Korb an - allerdings nur, um an einem sensationellen Block von Kidd-Gilchrist zu scheitern. Dieser stellte den Sieg der Wildcats aber noch nicht sicher, da zu diesem Zeitpunkt noch eine Minute zu spielen war.

Marquis Teague vergab für Kentucky von der Freiwurflinie, so dass Kansas mit zwei Dreiern eine Verlängerung hätte erzwingen können. Aber dann unterlief Elijah Johnson, von Taylor perfekt an der Dreierlinie angespielt, ein Schrittfehler, als Davis auf ihn zusprang. Unerheblich, dass der Guard nach seinem Fehler noch den Ball versenkte - das Spiel war verloren.

Kentuckys achter nationaler Titel war perfekt - was die meisten Experten von Saisonbeginn an prognostiziert hatten. Mit Ausnahme von Präsident Barack Obama, der wie immer den Turnierverlauf für ESPN vorher getippt hatte und North Carolina, die Tar Heels, als Sieger gesehen hatte. UNC ist die ehemalige Uni von Michael Jordan und war im Achtelfinale an Kansas gescheitert. Jordan selbst könnte aber die Chance bekommen, schon bald seinen legitimen Nachfolger unter Vertrag zu nehmen - wenn nämlich die Charlotte Bobcats weiter so eine unterirdische Saison spielen, könnte ihnen das den ersten Zugriff im kommenden NBA Draft bescheren. Und der wird wohl ziemlich sicher Anthony Davis gelten.

Davis feierte seinen mutmaßlich einzigen Collegetitel denn auch gebührend, was jeder ihm gönnte. Die Fans zu Hause in Kentucky jedoch waren von der Polizei vorher zur Ruhe ermahnt worden, nachdem 30 Studenten bei mit brennenden Autos verbundenen Ausschreitungen nach dem Halbfinalsieg über Louisville verhaftet worden waren.

Daniel Raecke

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