Kommentar Der Fahrer ist der Böse

Von Nico Stankewitz
Die Teams waschen die Hände in Unschuld. Beim Anti-Doping-Gipfel in Genf haben sie und der Radsport-Weltverband neue Maßnahmen im Kampf gegen Doping vorgestellt. Ein richtiger Schritt, aber das Hauptproblem bleibt zwei Wochen vor dem Start der Tour de France in London ungelöst.

Über 600 Fahrer der Pro-Tour-Mannschaften sollen innerhalb der kommenden zwei Wochen eine Selbstverpflichtung unterschreiben, die sie zwingt, Blutproben zur Aufklärung der Vorgänge um den berüchtigten Dr. Eufemio Fuentes abzugeben. Darüber hinaus soll jeder Fahrer, der zukünftig des Dopings überführt wird, ein komplettes Jahresgehalt als Strafe bezahlen. Zweifellos ein richtiger Schritt, aber wie so oft in der Vergangenheit wird der Kern des Problems nicht angetastet.

Sperrt die Teams!

Der Druck auf die Fahrer dürfte nun wirklich groß genug sein, denn ein positiver Dopingtest kostet den Profi zukünftig (mal abgesehen von der fraglichen juristischen Verbindlichkeit) drei Jahresgehälter (Strafe + zweijährige Sperre) und seinen Job. Nur sind nicht die Fahrer die schwarzen Schafe in diesem Geschäft, es sind in erster Linie die Teams, denen drastische Sanktionen angedroht werden müssen.

Bisher trugen die Konsequenzen für einen Doping-Vorfall stets die Fahrer, die Teams konnten unbehelligt weiter machen. Um Doping wirklich wirkungsvoller bekämpfen zu können, bedarf es eines Strafsystems für die Teams, etwa einer einmonatigen Rennsperre beim ersten Dopingfall, einer zweimonatigen beim zweiten - und zwar für die gesamte Mannschaft. Erst in diesem Augenblick würden die Mannschaften schwer getroffen und damit gezwungen, auch teamintern dafür zu sorgen, dass Doping im Sport zurückgedrängt wird.

Kartell verhindert neue Strukturen

Passieren wird allerdings solange nicht viel, wie ein Kartell zwischen UCI und Teams keinen Anlass sieht, die herrschenden Strukturen wirklich zu ändern. Der Weltverband und die Mehrheit der Teams verteidigen ihre Erbhöfe und begnügen sich dabei mit mehr oder weniger gelungenen PR-Aktionen. Dabei geht es gar nicht so sehr um geständige Doping-Sünder wie Aldag und Riis, sondern um das System – nur der Weltverband hätte die Macht, den Profiteams Sanktionen aufzuzwingen.

Zumindest eine Sofortmaßnahme kann allerdings erreicht werden, denn die Fahrer verpflichten sich auch, den spanischen Behörden DNA-Proben zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Abgleich könnte dann – endlich – auch die berühmte Liste der "Fuentes Fifty" abgearbeitet werden, auf der angeblich auch Tour-Mitfavorit Alejandro Valverde stehen soll. (siehe dazu auch das Interview mit Valverdes ehemaligem Teamkollegen Manzano im neuen stern). Zumindest sollte sichergestellt werden, dass keiner der ehemaligen Fuentes-Kunden am 7. Juli in London am Start steht.

Uneinigkeit unter den Mannschaften

Immer deutlicher werden auch fundamentale Gegensätze zwischen den Topteams: Auf der einen Seite stehen Mannschaften wie T-Mobile, Gerolsteiner, Milram, La Francaise des Jeux und Credit Agricole, die Aufklärung und härtere Kontrollen fordern, auf der anderen Seite das ehemalige Armstrong-Team Discovery Channel, die kasachische Astana-Mannschaft oder die Russen von Tinkoff, die belastete Fahrer einstellen und sich gegen schärfere Maßnahmen wehren. Von Waffengleichheit kann so kurz vor dem Tourstart keine Rede sein.

Im Fußball wird das Thema zwar bisher weitgehend verdrängt, aber die Bestrafung der Doping-Sünder zieht auch eine Bestrafung der Teams (Punktabzug!) nach sich. Sicherlich ein Vorbild für den professionellen Radsport, denn nur so können reale Fortschritte gemacht werden. Vorreiter in dieser Beziehung könnte T-Mobile sein – die deutsche Mannschaft entließ diese Woche den ukrainischen Ex-Weltmeister Sergei Gontchar fristlos. Grund dafür waren Unregelmäßigkeiten bei teaminternen Kontrollen. Ein wichtiges Signal!

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