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NBA-Finals Welcome to the Kobe-Show

Die ersten zwei Spiele der "Best of Seven"-Serie hatten die hochfavorisierten Los Angeles Lakers gegen die Boston Celtics geradezu beschämend verloren. Nun mussten die Truppe um Bryant, Gasol und Odom die drei Heimspiele in Los Angeles gewinnen. Die erste Hürde nahmen sie beeindruckend.
Von Helmut Werb, Los Angeles

Die Stimmung war nicht gut bei den Los Angeles Lakers auf dem Rückflug von Boston. Der selbsternannte Superstar Kobe Bryant, der noch vor einem halben Jahr in aller Öffentlichkeit darauf bestanden hatte, den Klub zu verlassen, sollte er nicht talentiertere Wasserträger in die Mannschaft bekommen, stauchte seine enttäuschenden Teamkollegen noch im Lakers-Charterjet zusammen.

Der sonst eher gelassene Coach Phil Jackson liess sich zu ungewohnt herber Kritik an der nicht-existierenden Abwehr seines Teams hinreissen, vor allem aber moserte "Zen-Meister" Phil an den Schiedsrichtern rum –nicht ganz zu unrecht, denn die Referees hatten sich von den lautstarken Fans der Celtics zu einigen krassen Fehlentscheidungen verleiten lassen. "Noch niemals in meiner Karriere habe ich eine solch miserable Schiedsrichterleistung gesehen", schimpfte der unentspannte Jackson in der Morgenpresse und wird wegen dieses öffentlichen Wutausbruchs eine saftige Strafe von der NBA aufgebrummt bekommen.

Lakers in der Kritik

Allerdings war es schon bezeichnend, dass die Lakers beim üblichen Tamtam zum Einmarsch der Gladiatoren auf den Großbildschirmen im Staples Center nur Highlights aus jahrzehntealten Boston-L.A.-Spielen einspielten, und nichts aus den zwei vorhergehenden Spielen in Boston. Allzu viel Gutes war wohl nicht zu finden gewesen.

"Die Lakers waren einfach zu soft", sagte ABC-Kommentator Mike Breen. Die Defensive stünde nur auf dem Papier, von Offensive wäre im zweiten Spiel nur in den letzten sieben Minuten etwas zu sehen, stimmte selbst Lakers-Altstar Magic Johnson zu. Kobe Bryant, auf dem alle Hoffnungen der Lakers ruhen, zeigte sich trotzdem gelassen: "Ich mache mir keine Sorgen", grinste er vor dem Spiel ins Mikrophon. Und Hollywoods A-, B- und sonstige Listen Stars wie Jack Nicholson, Steven Spielberg, Spike Lee, Stallone oder Dustin Hoffman – mitsamt den 19.000 im Staple Center in Downtown L.A. – applaudierten in cooler Zustimmung. What, me worry? Welcome to Hollywood!

Celtics geschockt

Beide Teams begannen nervös und zerfahren, erst nach vier Minuten führten die Lakers mit 6:2, vor allem weil Los Angeles – von Beginn an deutlich aggressiver und mehr körperbetont als zuvor – eine härtere Verteidigung spielte, und weil Rajon Rondo von den Celtics mit der Bewachung von Bryant deutlich überfordert war.

Die Celtics hingegen zeigten sich offensichtlich von der robusten Gangart beeindruckt, kamen schlecht ins Spiel, verloren gleich drei Turnovers in den ersten sechs Minuten und trafen keinen Korb. Trotzdem konnten die Lakers nicht von der Schwäche Bostons profitieren, auch weil das alte Laker-Problem der fehlenden offensiven Rebounds immer deutlicher wurde. Zum Ende des ersten Viertels schafften die deutlich unterlegenen Celtics so einen 20:20-Gleichstand. Im zweiten Quarter jedoch zündete Kobe Bryant das große Basketball-Feuerwerk. Schon in den ersten Minuten der zweiten Zwölf standen 15 Punkte auf seinem Konto, der MVP der NBA-Saison schoß beidhändig, vollzog ballettartige 360-Grad-Spins-Backs, traf seine Fades und brachte den Boston Coach Doc Rivers zur Verzweiflung, weil keiner seiner Spieler auch nur annähernd im Stand war, Kobe zu bremsen, geschweige denn ihn zu stoppen.

Kobe sicher von der Marke

Im Gegenteil: "The Big Three", wie das Trio Kevin Garnett, Paul Pierce und Ray Allen in Boston genannt werden, überzeugten durch spielerische Abwesenheit. Die Nummer 18 der Lakers, der Serbe Sasha Vujocic hingegen machte ein Super-Spiel und scorte schon mal zehn Punkte in den ersten sieben Minuten seines Einsatzes. Während Kobe zur Halbzeit 19 Punkte erzielt hatte, reichte es bei den "Big Three" zusammen gerade mal zu 16 und einer Fieldgoal Statistik von blamablen 32 Prozent. Der Halbzeitstand war entsprechend, die Lakers führten mit 43:37 Punkten.

"Vertraut auf euer Spiel", bleute Doc Rivers seinen gebeutelten Jungs in der Kabine ein. "Wir können uns nicht beschweren, der Rückstand ist gut aufzuholen." Das schien gefruchtet zu haben, denn die Celtics kamen nach der Halbzeitpause auf Betriebstemperatur. Ray Allen übernahm das Spiel seiner Mannschaft und liess die Lakers im Alleingang nicht davon ziehen. Die Lakers schalteten einen Gang zurück. Mit Ausnahme von Kobe, der im dritten Viertel eine kleine Auszeit zu nehmen schien, konnte kein Laker seine Freiwürfe verwandeln, und sämtliche Rebounds, offensiv wie defensiv, landeten in den Händen der Bostoner. Mit vier verbleibenden Minuten im dritten Viertel übernahmen die Celtics mit 54:50 die Führung, als Ray Allen eine sensationelle Screen von Kevin Garnett ausnützte und einen prächtigen Drei-Punkte Wurf verwandelte. Der Spanier Pau Gasol, als Hilfesteller für Kobe im Frühjahr nach Los Angeles gekommen, war bis dahin ein Totalausfall, und konnte ebenso wie Lamar Odom erst Ende des Dritten ein Fieldgoal erzielen.

Lakers steigern sich

"Wir haben nur ein wenig die Balance verloren", lächelte Lakers-Coach Phil Jackson in die Kameras, bedeutend entspannter als sein Publikum, das nach dem dritten Viertel schon – deutlich stillschweigend – das Spiel verloren gesehen hatte. Beide Teams begannen die letzten zwölf Minuten jedoch unter Vollgas. Vujacic startete mit einem famosen Dreier, Ray Allen antwortete gleich im Gegenzug ebenfalls mit einem Drei-Punkte-Wurf. Die Stimmung war wieder da im Staple Center. Und es blieb eng.

Die Lakers erarbeiteten sich immer mehr Chancen, doch selbst Kobe begann nun, seine Freiwürfe zu verpassen. Die Wende kam, als Pierce mit fünf Fouls vom Court ging, und Vujacic nach einem herrlichen Passspiel ausgleichen konnte. Mit 72:68 zur Hälfte des vierten Viertel begannen die Lakers, Boston endgültig hinter sich zu lassen. Unter dem überraschend frenetischen "MVP, MVP"-Jubelschreien des sonst eher relaxten L.A.-Publikums spielte Kobe Bryant jeden Gegenspieler unter den Tisch, und die Lakers lagen mit 77:70 deutlich in Führung. Mit zweieinhalb Minuten verbleibender Spielzeit, wachte endlich Kevin Garnett auf und verkürzte den Vorsprung auf nur noch zwei Punkte, doch Vujacic warf seinen gewohnten Dreier, hatte damit 20 Punkte auf dem Konto, und das Lakers-Arbeitstier Derek Fisher verwandelte zwei Freiwürfe mit einer Minute und 33 Sekunden auf der Uhr. Spielstand 83:76.

Wieder alles offen

Nach einem Superscore von Bryant und einem Dreier des Bostoner Ersatzmannes Eddie House stand es 87:81 mit nur noch 38 Sekunden Spielzeit. Boston hatte noch einmal Ballbesitz und die Chance zumindestens ausgleichen zu können. Aber Kevin Garnett unterlief ein dummes Offensiv-Foul, und mit 87:81 gewannen die Lakers das ungemein wichtige Überlebensspiel.

"Nein, nein", wiegelte Kobe Bryant ab, der mit 36 Punkten, 10 davon im vierten Quarter, die schwache Leistung der letzten Spiele vergessen liess. "Wir waren nicht verzweifelt. Das war nicht unser Überlebenskampf. Wir haben nur eine bessere Defense gespielt." Wenn es so einfach ist, können Jack & seine Freunde ja beruhigt das nächste Spiel am Donnerstag im Staple Center anschauen. Die Sonnenbrillen nicht vergessen.

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