Umstrittene Entscheidung Welt-Schachverband schließt Transfrauen von Turnieren für Frauen aus

Schachfiguren stehen vor Spielbeginn auf dem Schachbrett
Schachfiguren stehen vor Spielbeginn auf dem Schachbrett
© Antonio Pavela / DPA
Der internationale Schachverband Fide schließt Transfrauen künftig von Frauenwettkämpfen aus. Transgender-Spielerinnen müssen künftig "einen ausreichenden Nachweis über eine Geschlechtsumwandlung erbringen". Die Entscheidung stößt auf Kritik.

Der weltgrößte Schachverband Fide hat entschieden, dass Transgender-Frauen nicht an seinen offiziellen Frauenveranstaltungen teilnehmen dürfen, bis die Fide-Funktionäre eine Bewertung der Geschlechtsumwandlung vorgenommen haben.

Die neuen Regeln, die vom Fide-Rat in diesem Monat genehmigt wurden, treten am 21. August in Kraft und verlangen von Transgender-Spielerinnen, dass sie "einen ausreichenden Nachweis über eine Geschlechtsumwandlung erbringen, der mit ihren nationalen Gesetzen und Vorschriften übereinstimmt", wie die Nachrichtenagenturen Associated Press (AP) und Reuters berichten.

Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der Verband eine Weltmeisterschaft in Aserbaidschan organisiert, an der Spitzenspieler teilnehmen, darunter der norwegische Großmeister Magnus Carlsen, die Nummer 1 der Weltrangliste.

Schachverband will "Verfahren klar definieren"

Fide erklärte seine Entscheidung damit, dass er und seine Mitgliedsverbände immer mehr Anträge auf Anerkennung von Spielerinnen und Spielern erhalten, die sich als Transgender identifizieren, und dass die Teilnahme von Transgender-Frauen von einer Einzelfallanalyse abhänge, die bis zu zwei Jahre dauern könne.

Die neuen Regeln zielten darauf ab, "das Verfahren klar zu definieren, wie eine Person, die ihr Geschlecht offiziell geändert hat, dies im Fide-Register eintragen lassen kann", teilte der Verband der AP mit. Das Fehlen einer solchen Regelung habe zu "Unklarheiten" geführt, so der Verband.

"Die Änderung des Geschlechts ist eine Änderung, die erhebliche Auswirkungen auf den Status eines Spielers und seine zukünftige Teilnahmeberechtigung an Turnieren hat, und kann daher nur vorgenommen werden, wenn ein entsprechender Nachweis über die Änderung vorgelegt wird", so der Verband.

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Schach-Titel können bei Geschlechtsumwandlung aberkannt werden

"Wenn das Geschlecht von männlich zu weiblich geändert wurde, hat die Spielerin kein Recht, an offiziellen Fide-Veranstaltungen für Frauen teilzunehmen, bis die Fide eine andere Entscheidung trifft", zitiert AP den Verband.

Inhaberinnen von Frauentiteln, die ihr Geschlecht zu männlich ändern, würden diese Titel aberkannt, so der Verband, der aber die Möglichkeit einer Wiederaufnahme in Aussicht stellte, "wenn die Person ihr Geschlecht wieder zu weiblich ändert".

"Wenn ein Spieler sein Geschlecht von einem Mann zu einer Frau ändert, bleiben alle vorherigen Titel gültig", so der Verband.

Gleichzeitig sei sich der Schachverband bewusst, "dass dies ein sich entwickelndes Thema für den Schachsport ist und dass neben den technischen Regeln für Transgender-Regeln in Zukunft möglicherweise weitere Richtlinien im Einklang mit den Forschungsergebnissen entwickelt werden müssen", zitiert Reuters.

Trans-Spieler dürfen weiter an "offenen" Wettbewerben teilnehmen

In einer Erklärung, die Reuters am Donnerstag per E-Mail zugesandt wurde, sagte ein Fide-Sprecher, die Entscheidung sei getroffen worden, um die Prozesse besser zu definieren, wenn ein Spieler sein Geschlecht ändere. "Die Transgender-Gesetzgebung entwickelt sich in vielen Ländern schnell und viele Sportverbände führen ihre eigenen Richtlinien ein. Die Fide wird diese Entwicklungen beobachten und sehen, wie wir sie auf die Schachwelt anwenden können", hieß es in der Erklärung.

"Zwei Jahre sind ein angemessener Zeitraum für eine gründliche Analyse dieser Entwicklungen". Es gehe darum, eine Frist für die Überprüfung dieser Politik zu setzen, ohne sie zu überstürzen.

Transgender-Spieler könnten jedoch weiterhin in den "offenen" Kategorien von Turnieren teilnehmen. Die meisten Schachwettbewerbe sind für alle Spielerinnen und Spieler offen, mit Ausnahme einiger weniger Turniere wie der Weltmeisterschaft der Frauen.

Sportwelt beschäftigt sich mit Umgang mit Trans-Athletinnen

Die Entscheidung der Fide wird heftig kritisiert. Cathy Renna, Kommunikationsdirektorin der National LGBTQ Task Force in den USA, sprach von "unbegründeter 'Trans-Panik', die nicht auf dem Boden der Realität steht und wieder einmal Trans-Personen ausgrenzt".

"Die neuen 'Richtlinien' für Trans-Teilnehmer im Schach sind ärgerlich, verwirrend, widersprüchlich und ein Zeichen dafür, dass die Anti-Trans-Bewegung, insbesondere jene, die die Ausgrenzung im Sport fördern, sich auf andere Bereiche des Leistungssports ausbreiten und eine sehr beunruhigende Entwicklung darstellen", sagte Renna der Associated Press.

Viele Sportarten, die eine intensive körperliche Betätigung erfordern – was beim Schach nicht der Fall ist – haben sich in den letzten Jahren mit der Frage auseinandergesetzt, wie sie mit Transgender-Athleten umgehen sollen. Häufig geht es dabei um die Frage der Fairness in Frauenwettkämpfen, wenn Transfrauen daran teilnehmen.

So hat der Internationale Radsportverband im vergangenen Monat entschieden, dass Transgender-Athletinnen, die sich nach der männlichen Pubertät einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, nicht mehr an Frauenrennen teilnehmen dürfen. Der Britische Ruderverband entschied zuletzt, dass Transfrauen nicht an seinen Frauenwettbewerben teilnehmen dürfen. 

Sexismusvorwürfe in der Welt des Schach

Zuletzt musste sich auch der Weltschachverband mit Sexismusvorwürfen auseinandersetzen. In einem offenen Brief, den 14 französische Schachspielerinnen in der vergangenen Woche veröffentlichten und den inzwischen mehr als 100 Frauen unterschrieben haben, wird sexistisches Verhalten männlicher Kollegen angeprangert.

"Bei der Fide sind wir zutiefst bewegt über den von über 100 Schachspielerinnen unterzeichneten Brief, in dem sie sexistische und sexuelle Gewalt im Schach anprangern. Die Fide lehnt entschieden jegliches Verhalten und Handeln ab, das auf Sexismus basiert, einschließlich jeglicher Form von Missbrauch. Selbst wenn nur eine Frau Missbrauch erlebt, ist es eine zu viel", hieß es in einer Stellungnahme am Freitag. Die Fide nehme alle Berichte über Sexismus und Missbrauch "sehr ernst" und werde sich für eine "Verbesserung der Schachwelt" einsetzen.

Quellen: Nachrichtenagenturen Associated Press, Reuters und DPA

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