Liebe UCI,
Ihr solltet euch schämen. Was auch immer zwischen Tony Martin und dem Waliser Luke Rowe vorgefallen sein mag – sie deshalb von der Tour de France 2019 auszuschließen, ist unangemessen und in höchstem Maße überzogen. Ja, Martin ist vor laufenden Kameras zwei Wellen gefahren und Rowe kurz ins Straucheln gebracht. Das war sicher nicht vorbildhaft. Aber: Die beiden, wie auch alle anderen Fahrer, haben in den letzten zweieinhalb Wochen mehr als 3.000 Kilometer auf ihren Rennmaschinen abgerissen. Zuletzt bei extremer Hitze, während ihr in gut klimatisierten Autos zum Zielort chauffiert wurdet.
Nichts gelernt aus dem Fall Sagan
Die ominöse Szene, der Rempler am Fuße des letzten Anstiegs passierte ohne Zweifel in der Hitze des Gefechts. Das hätte euch, liebe Rennkommissare der UCI, auffallen müssen. Zwei Athleten, die noch nie durch unfaire Aktionen aufgefallen sind, wegen dieser Lappalie um ihren persönlichen Triumph auf der Champs Elysee zu bringen, ist absolut unverständlich. Ja, auch Peter Sagan habt ihr 2017 von eurem wichtigsten Event ausgeschlossen. Nach einem sicher nicht ganz feinen Manöver gegen Sprinterkollege Mark Cavendish, der auf den Zielgeraden der großen Rennen oft auch kein Kind von Traurigkeit ist. Ihr hattet ihm damals unterstellt, Cavendish absichtlich zu Fall gebracht zu haben. Der internationale Sportgerichtshof CAS war anderer Meinung und rehabilitierte den slowakischen Superstar ein paar Monate später.
Liebe UCI, offenbar habt ihr nichts daraus gelernt. Ein kleiner, unbedeutender Schlenker reicht nun offenbar schon, um Fahrer, denen ihr schon vier Mal das Regenbogentrikot übergestreift habt, ein Aushängeschild des Radsports, zu diskreditieren. Das ist schlechter Stil. Auch wenn das in euren Regularien so steht. Schon mal was von Fingerspitzengefühl gehört?
Retourkutsche für Froome-Kritik?
Die beiden haben mit ihrem Verhalten dem Image der UCI in der Öffentlichkeit geschadet? Mitnichten. Vielmehr könnte man vermuten, die kleine Rangelei zwischen Martin und Rowe kam euch gelegen, um einem eurer schärfsten Kritiker einen Denkzettel zu verpassen. In der sogenannten Salbutamol-Affäre um Toursieger Christopher Froome hatte Martin den Weltverband scharf angegriffen und ihm indirekt unterstellt, der viermalige Toursieger habe eine Sonderbehandlung erhalten. Später nahm der Cottbusser seine Aussage zurück. Entkräften konnte die UCI den Vorwurf aber bis heute nicht.
Martin und Rowe entschuldigen sich – umsonst
"Wir haben vielleicht die Linie ein bisschen überschritten", gab Rowe nach der Etappe zu. Beide hätten ihre Arbeit gemacht. Und die bestand darin, ihre Teamkapitäne in einer unübersichtlichen Rennsituation zu schützen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In einem gemeinsamen Video entschuldigten sich die beiden Streithähne später bei den Zuschauern. Doch da war es schon zu spät. Die Teams der beiden legten noch am Abend Einspruch ein. Vergeblich. Martin und Rowe sind raus. Während die UCI-Kommissare sonnenbebrillt in ihren klimatisierten Autos ins Ziel der ersten Alpen-Etappen gefahren werden.