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Spielzeug Der tragische Untergang des "Sea Monkey"-Imperiums

In der Werbung lebten die "Sea Monkeys" wie eine US-Familie unter Wasser.
In der Werbung lebten die "Sea Monkeys" wie eine US-Familie unter Wasser.
Harold von Braunhut vermarktete getrocknete Wasserkrebse und Röntgenbrillen für Spanner. Nichts funktionierte wirklich, doch von Braunhut war ein Jedi-Meister des Verkaufens. Nach seinem Tod verlor seine Witwe alles – selbst die "Sea Monkeys".

Harold von Braunhut schuf ein Vermögen mit Kinderspielzeug, das nur Pfennigbeträge kostete. Von ihm stammten geniale Erfindungen, wie die X-Ray-Brille. Mit ihr hofften pubertäre Knaben, durch die Kleidung hindurch einen Blick auf den weiblichen Köper zu erhaschen. Die Illusion vermittelte von Braunhut mit eindeutigen Zeichnungen von Ladys, bei denen das Kostüm unsichtbar wurde. Wie bei allen seinen Erfindungen war auch hier die Kundenenttäuschung vorprogrammiert. Die Brille produzierte einen lustigen optischen Effekt, aber entkleidete natürlich keine Frauen.

Unscheinbare Krebse

Die größte Innovation von Braunhuts, waren die "Amazing Live Sea Monkeys". Diese Wunder-Wasserwesen wurden getrocknet in einer Tüte geliefert und sollten von den jungen Käufern in einem kleinen Plastikaquarium zum Leben erweckt werden. In den 1970er Jahren waren in fast jeder Zeitschrift Anzeigen für dieses Wunder. Auf den Zeichnungen führten die Sea Monkeys ein idyllisches Familienleben – etwa so wie die Familie von Fred Feuerstein bloß unter Wasser.

Tatsächlich handelte es sich um eher unscheinbare Mini-Garnelen. Wenn alles richtig gemacht wurde, entstanden aus dem Trockenpulver tatsächlich lebende Krebse, die aber natürlich kein US-Familienleben unter Wasser vorspielten. Auch sonst war der Mann sehr umtriebig. Von TV-Produzent bis hin zum Manager von Jahrmarktsartisten gab es wenig, was er nicht ausprobiert hätte. Unter dem Namen "The Green Hornet" nahm er sogar an Motorradrennen teil. Seine politischen Ansichten waren allerdings rechtsgerichtet und rassistisch. Selbst von jüdischer Abstammung stammt von ihm die Äußerung, Hitler sei gar kein böser Mann gewesen, er habe nur eine schlechte Presse gehabt.

Zu ihren Filmrollen sagte Signorelli von Braunhut nüchtern: "Damals war das vielleicht scharf, aber heute?"
Zu ihren Filmrollen sagte Signorelli von Braunhut nüchtern: "Damals war das vielleicht scharf, aber heute?"
© PR

In den 1960er Jahren lernte von Braunhut Yolanda Signorelli auf einem der Bälle ihres Vaters kennen. Die schönste der fünf Signorelli-Töchter war damals ein Filmstar der besonderen Art. Sie war die Hauptattraktion in einer Filmgattung, die die Kinogeschichte gnädig vergessen hat. Billig gedrehten Streifen, die mit einigen Sexszenen und einem reißerischen Titel die Kunden ins Kino lockten. Yolanda war die Attraktion in Werken wie "Venus im Pelz", "Alle Frauen sind verdorben" und "Tod einer Nymphomanin".

Ein Genie des Verkaufens

Der Erfolg der Braunhutschen Erfindungen lag nicht daran, dass sie so übermäßig originell waren, sondern dass von Braunhut ein Meister des Marketings war. Die New York Times (NYT) nennt ihn einen Jedi-Meister des Verkaufens und schreibt, er habe die Methoden eines Jahrmarkt-Scharlatans ins TV-Zeitalter überführt. Das Handwerk dazu hatte er als Bühnenzauberer gelernt.

Die kleinen Krebse verkaufte er nach dem Vorbild von TV-Sendungen. Damals war es populär, eine uramerikanische Musterfamilie mitsamt Bungalow in ein komplett fremdes Ambiente zu versetzen – in die Steinzeit, in den Dschungel oder in den Weltraum. Entsprechend sollte man für die Monkeys jede Menge Bücher für eine vermeintlich mögliche Dressur der Krebse kaufen und man konnte mit entsprechenden Bausätzen ihr Aquarium in ein Schloss oder in eine Weltraumstation verwandeln. Es gab sogar ein Liebespulver für die Tierchen. Von Braunhut schaffte es sogar, ein leeres Glas als den garantiert unsichtbaren Goldfisch an den Mann zu bringen.

Der Palast wurde zur Ruine 

Doch sein Imperium brach zusammen, nachdem von Braunhut starb und er nicht mehr als Zampano die Illusionsmaschine in Gang hielt. Nach dem Tod ihres Mannes erbte Signorelli von Braunhut sein Vermögen und die Rechte an den immer noch einträglichen "Sea Monkeys". Doch das Vermögen verlor sie in kurzer Zeit. Signorelli von Braunhut lizenzierte die "Sea Monkeys" an eine große Spielwarenfirma, die sie wenige Jahre später ausbootete. Die Meinungen sind geteilt, ob das an der Bosheit der Firma oder dem exzentrischen Geschäftsgebaren der Witwe liegt. Harold von Braunhut behauptet stets, dass seine Monkeys eine einzigartige Erfindung seien, die er mit einem Partner durch intensive Zucht erschaffen habe. Normale Krebse würden die lange Zeit in einem scheintoten Zustand nicht überstehen, die zwischen der Fabrikation, dem Versand und der Wässerung beim Kunden liege. Tatsächlich importiert das Spielwarenunternehmen inzwischen Krebse aus China, die sich aber offenbar auch ohne den Genius von Braunhuts gut wiederbeleben lassen.

Ohne die Magie des Jahrmarktzauberers ging der Glanz der guten Tage dahin. Als die "NYT" sie kontaktierte, lebte Signorelli von Braunhut im einzig bewohnbaren Zimmer ihres riesigen Herrenhauses – ohne Strom und ohne Heizung. Das Tor zum Park wird übrigens von schmiedeeisernen "Sea Monkeys" bewacht.

Selbst ist die einstige "Venus im Pelz" noch eine eindrucksvolle Figur. Der Autor der "NYT" war überrascht von ihrem Aussehen. Die über 70-Jährige sehe um Jahrzehnte jünger aus, staunte er, und trug bei einem Treffen hautenge Jeans und ein "mutiges" Top mit V-Ausschnitt.

Vergangene Größe bindet wohl auch den Anwalt an Signorelli von Braunhut. Er scheint sie zu verehren, seit der Zeit als sie der strahlende Mittelpunkt der Maskenbälle ihres Vaters war. Ob der Mann ihr wieder zu ihrem Vermögen verhelfen wird, kann man bezweifeln. Die "NYT" beschreibt ihn so: "T. ist ein großer, dünner Mann mit einer gewissen Ähnlichkeit mit Nicolas Cage. Manchmal schien er uninteressiert, nicht so sehr an den Sea-Monkeys, sondern vielleicht am Gesetz im Allgemeinen oder einfach an der böswilligen, alltäglichen Realität, in die wir alle hineingeboren werden."

Quelle: NYT

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