Als Norbert Blüm, damals Arbeitsminister, im Wahlkampf 1986 verkündete, dass die Rente sicher sei, fiel wohl mehr als nur einer Generation ein Stein vom Herzen. Die Furcht vor Altersarmut, trotz harter Schufterei, schien unbegründet. Heute wissen wir: Sicher ist hier nichts mehr.
Zwar dürfen sich Deutschlands Rentner ab dem Sommer dank guter Konjunktur über eine satte Rentenerhöhung freuen. Um mehr als drei Prozent steigen ihren Renten. Doch auch wenn ein solches Plus aktuell durchaus finanzierbar erscheint - wenn erst die geburtenstarken Jahrgänge verrentet werden, drohen klaffende Lücken in der Alterssicherung.
Die große Koalition in Berlin will auf eine "doppelte Haltelinie" setzen. Das Renteniveau, also das Verhältnis von Lohn zum Durchschnittseinkommen, soll bei 48 Prozent gehalten werden. Zum Vergleich: Zu Zeiten von Blüms markiger Rede lag das Verhältnis noch bei über 56 Prozent. Um das aktuelle Rentenniveau überhaupt zu halten, soll der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent nicht die 20-Prozent-Marke überschreiten.
Rente: Die Altersstruktur hat sich verändert
Doch wie soll das finanziert werden? Klar ist, dass aktuell viele Menschen arbeiten - und somit in die Rentenkasse einzahlen. Wahr ist aber auch, dass der Anteil von Niedriglöhnern und Aufstockern gestiegen ist. Sie zahlen wenig bis gar nichts in die Rentenkasse - und wollen trotzdem alt werden dürfen. Und brauchen Rente.
Ein weiteres Problem: Die geringen Geburtenraten. "Die Altersstruktur Deutschlands ändert sich derzeit sehr stark: Es wird immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen geben. Dies hat drei Ursachen. Erstens wurden in den 1960er-Jahren deutlich mehr Menschen pro Jahr geboren als in der Zeit davor und danach. Die zweite Ursache liegt darin, dass wir dank besserer Gesundheit immer länger leben. 1960 betrug die Lebenserwartung 69 Jahre, 50 Jahre später war sie auf 80 Jahre gestiegen, das sind mehr als zwei Jahre Zuwachs pro Jahrzehnt", schreibt der Münchener Rentenforscher Axel Börsch-Supan in einem Aufsatz für die Max-Planck-Gesellschaft. "Die dritte Ursache ist die seit den 1970er-Jahren niedrige Geburtenrate. Da Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten weit weniger Geburten hatte, als nötig gewesen wären, um die Einwohnerzahl konstant zu halten, fehlt uns zur Rentenfinanzierung ungefähr ein Drittel junger Menschen relativ zur Vorgeneration." Börsch-Supan glaubt, dass selbst die Flüchtlingswelle das Geburtendefizit kaum verringern kann - dafür sei die Gruppe zu klein. Und das Defizit zu groß.
Wie sieht die Rente der Zukunft aus?
Will die Politik das Rentenniveau halten, müssen Steuermilliarden her. Laut dem Steuerexperten müsste Deutschland dann 80 Milliarden Euro jährlich ab 2035 mehr ausgeben. Dazu kommen Kosten, beispielsweise für die geplante erweiterte Mütterrente von rund 3,7 Milliarden Euro. Auch die Verbesserungen der Rente bei Erwerbsminderung schlägt mit rund 1,5 Milliarden zu Buche.
Eine Rentenkommission soll es nun richtien und bis 2020 Vorschläge erarbeiten, wie man die Rente der Zukunft umsetzen kann. "Die Rentenkommission darf sich nicht nur mit Rentenniveau und Beitragssatz der gesetzlichen Rente beschäftigen, sondern muss ein schlüssiges Gesamtkonzept der deutschen Alterssicherung über 2025 hinaus vorlegen", sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann.
Neben den bekannten Faktoren (der Staat weiß recht genau, wann welche Jahrgänge in Rente gehen), müssen auch Faktoren einbezogen, die noch nicht so klar sind (die Lohnentwicklung ist schwer abschätzbar) - oder die durch politische Anreize noch mehr Fahrt aufnehmen können, wie die private Alterssicherung.
Das Eintrittsalter erhöhen
Doch der Politik bleibt ein Vehikel, das unpopulär ist - das Eintrittsalter der Rente nach oben setzen. "Seit der Einführung des Umlageverfahrens im Jahr 1957 hat sich die Rentenbezugszeit von neun Jahren auf mittlerweile 20 Jahre mehr als verdoppelt. Sie würde bei einem unveränderten Renteneintrittsalter bis zum Jahr 2045 um weitere sieben Jahre ansteigen. Stabil wäre die umlagefinanzierte Rente aber nur, wenn die Proportionen zwischen Lebensarbeitszeit und Rentenbezugszeit unverändert blieben", schreibt Axel Börsch-Supan. Um die Rente finanzierbar zu halten, müsse Arbeits- und Rentenzeit in einer eine dynamische Zwei-zu-eins-Regel festgehalten werden, also 40 Jahre arbeiten und 20 Jahre Rente. Steigt die Lebenserwartung weiter, müssten wir auch länger arbeiten.
Die gute Nachricht vom Rentenexperten: Die Deutschen glauben, dass sie im Alter ärmer sind, als sie es tatsächlich sein werden. "Etwa 30 Prozent der Erwerbstätigen aller Altersstufen gaben im Jahr 2015 an, dass sie nur noch eine Rente in der Höhe der Grundsicherung – also der Sozialhilfe im Alter – erwarten", so Börsch-Supan. "Von den etwa 30 Prozent der Erwerbstätigen [...] hatten bereits die Hälfte einen Rentenanspruch, der deutlich darüber lag – nur wussten sie es nicht." Nach der Berichtigung sämtlicher Fehler sei die Prognose auf etwa fünf Prozent gefallen. Auch wenn der Rentenexperte gegen die Hysterie anrechnet: Heutzutage wird es wohl kein Politiker mehr wagen, die Rente als sicher zu bezeichnen.
