Es geht ums Geld, ums ganz große Geld. Unter den Eismassen der Arktis sollen einige der weltgrößten Vorräte an Öl und Gas liegen - genug Energie für Jahrzehnte. Und jetzt, da der Eispanzer wegen der globalen Erwärmung langsam löchrig wird, scheinen die Lagerstätten endlich erreichbar. Dieses Megageschäft wollen sich weder die Russen noch die Amerikaner entgehen lassen. Sie haben sich verbündet - und die Westeuropäer stehen außen vor.
Die Speerspitze der Arktis-Eroberung bilden der staatliche russische Ölkonzern Rosneft und sein US-Kompagnon ExxonMobil. Niemand geringeres als der Moskauer Regierungschef Wladimir Putin hält seine schützende Hand über diese Partnerschaft. Aus dem Urlaub heraus verkündete der Ex-Geheimdienstler die Neuigkeiten höchstpersönlich.
"Neue Horizonte" für Russland
Für das vom Öl- und Gasexport abhängige Russland ist der Deal enorm wichtig. Denn das Riesenreich - 2010 der größte Ölförderer der Welt - erhalte dadurch endlich Zugang zu modernster Technologie, erläuterte der Analyst Denis Borissow in der Moskauer Zeitung "Kommersant". Der neue Partner ExxonMobil ist die Nummer eins der Branche und einer der wertvollsten Konzerne der Welt.
"Neue Horizonte" öffneten sich nun, erklärte denn auch Putin. In einem ersten Schritt geht es um ein 3,2-Milliarden-Dollar-Geschäft im Schwarzen Meer und in der Arktis. Doch Putin träumt bereits von Investitionen von bis zu 500 Milliarden Dollar (rund 347 Mrd Euro). Solche Zahlen seien wirklich "furchteinflößend", merkte er an.
Russland erhebt Anspruch auf gewaltige Rohstoffvorkommen in der Arktis. Dabei kommt es nicht selten zu Streitereien mit den vier anderen Anrainerstaaten USA, Kanada, Dänemark und Norwegen. Der Streitwert ist gigantisch: In der Arktis liegen nach Schätzungen des US-Energieministeriums 22 Prozent der noch unerschlossenen Öl- und Gasvorräte dieser Welt.
Für den US-Multi ExxonMobil ist das ein gefundenes Fressen - vor allem seit die Förderung in angestammten Gefilden immer schwerer wird. Der Untergang der BP-Ölplattform Deepwater Horizon hat die Stimmung kippen lassen. Hunderte Millionen Liter Rohöl waren von April bis August vergangenen Jahres ins Meer geströmt hatten die US-Küste auf 1000 Kilometer Länge verseucht.
Zusammenarbeit mit dem Kreml: kein Zuckerschlecken
In dem mit harter Hand geführten Russland darf ExxonMobil nun darauf hoffen, dass die Moskauer Regierung die missliebigen Umweltschützer fernhält. Doch die Kooperation ist selbst für einen Riesen wie Exxon nicht ohne Risiko. "Die Größe der Vorkommen in diesem Teil der Welt ist so atemberaubend, dass die Ölmultis wohl nie die Lektion lernen werden, dass eine Zusammenarbeit mit dem Kreml kein Zuckerschlecken ist", warnte Charles Ebinger vom Washingtoner Brookings Institute im "Wall Street Journal".
Dass in Russland raue Sitten herrschen, hat der britische Ölkonzern BP unlängst zu spüren bekommen. BP hatte mit großem Tamtam eine eigene Partnerschaft mit Rosneft verkündet. Sogar eine gegenseitige Beteiligung war abgesprochen. Doch der Prestige-Deal scheiterte in letzter Sekunde am Widerstand einflussreicher Oligarchen, und BP steht nun mit leeren Händen da. Am Mittwoch musste BP im Zusammenhang mit dem geplatzten Geschäft sogar eine Razzia in seinem Moskauer Büro über sich ergehen lassen.
Abhängigkeiten und Querverbindungen in der für Außenstehende oft undurchsichtigen russischen Geschäftswelt bereiten ausländischen Unternehmen immer wieder Probleme. Allerdings ist ExxonMobil kein Neuling in dem Land. Schon seit Mitte der 1990er Jahre beuten die Amerikaner zusammen mit Rosneft Ölfelder rund um die russische Pazifik-Insel Sachalin aus.
ExxonMobil will nun also da erfolgreich sein, wo BP scheiterte. "Das Angebot von Exxon ist besser, wesentlich besser", gibt der russische Vizeregierungschef Igor Setschin unumwunden zu. So trägt Exxon die Kosten für die teuren und unberechenbaren Bohrungen in der Arktis. Als Bonbon darf sich Rosneft zudem an Exxon-Vorhaben in Texas oder im Golf von Mexiko beteiligen.