Rund 84 Meter bohrt sich das Gebäude in den Himmel von Wien. Auf 24 Stockwerken bietet das "Hoho Wien" rund 20.000 Quadratmeter Platz. Die ersten Mieter sollen schon im Herbst 2019 einziehen. Mit der Höhe und dem Raum ist das Gebäude kaum als architektonische Besonderheit zu betrachten - wäre da nicht ein entscheidendes Detail: Das Hochhaus besteht zu 75 Prozent aus Holz. Rund 800 Holzsäulen aus österreichischer Fichte tragen die Geschosse mit, die Wandelemente sind aus dem nachwachsenden Rohstoff und auch die Holzverbunddecke. "Es ist ein Statement für die Verwendung von Holz auch im Hochhausbau", sagt Caroline Palfy, Baumeisterin und Ingenieurin, zur "dpa".
Das Holz-Stahlbeton-Hybridhaus ist dabei weder das erste seiner Art, noch das höchste: Im März 2019 wurde im norwegischen Brumunddal das höchste Holzhaus der Welt eröffnet. Auf 85 Metern befinden sich 18 Stockwerke, das verwendete Holz stammt aus Norwegen und Finnland. Auch hier wurde ein Hybrid aus Beton und Holz geschaffen. Der Beton wurde auch für die Platten in den oberen Stockwerken gebraucht, um den Bau zu stabilisieren und sein Schwingen zu verhindern.
Nachhaltige Baustoffe und Recyclingmaterial
Hier zeigt sich: Eigentlich wäre Holz zu leicht. Es braucht einen schweren Baustoff, um das Pendeln des Gebäudes zu unterdrücken. Dennoch entstehen weltweit solche Projekte - und das aus gutem Grund. Denn auch Architekten, Bauträger und Ingenieure tüfteln an nachhaltigem Bauen. Dabei experimentieren sie mit erneuerbaren und ganz natürlichen Baustoffen oder setzen recyceltes Baumaterial ein. Das Ziel ist klar: Neben einem ansprechenden Äußeren sollen die Häuser der Zukunft nicht unnötig viele Ressourcen verbrauchen, sondern die Umwelt schonen und im besten Fall Teil einer Kreislaufwirtschaft sein.
Dieses Hochhaus aus Holz hat 24 Stockwerke und 20.000 Quadratmeter Fläche

Auch bei dem neuen Verwaltungssitz des Bio-Lebensmittelhändlers Alnatura sollten natürliche Materialien zum Einsatz kommen. Statt auf Holz, setzte man bei dem Neubau in Darmstadt auf einen sehr alten Baustoff: Lehm.
Schon vor über 9000 Jahren bauten Menschen ihre Häuser aus Lehm. Damit ist dieser Baustoff nach Holz einer der ältesten Materialien, um Behausungen zu kreieren. Noch heute lebt rund zwei Drittel der Weltbevölkerung in Lehmhäusern.
Das Architektenbüro "haas cook zemmrich Studio2050" setzte bei der Alnatura-Zentrale auf die selten eingesetzte Stampflehmtechnik für die Außenfassade. Lehm als Baustoff hat einige Vorteile: Er kann Wärme gut speichern und wieder abgeben. Darüber hinaus ist Lehm sorptionsfähig, kann also den in der Luft enthaltenen Wasserdampf in den Poren des Lehms ablagern. In Räumen mit Lehmputz bleibt die Luftfeuchtigkeit in den Räumen konstant. Auch Elektrosmog soll Lehm abschirmen.

Doch der wohl wichtigste Faktor: Lehm kann wiederverwendet werden und lässt sich leicht recyceln. "Die Stampflehmfertigteile, die direkt neben der Baustelle vorgefertigt wurden, verfügen über eine 17 Zentimeter starke Kerndämmung aus recyceltem Schaumglasschotter. Zudem wurde in den Wänden Material aus dem Tunnelaushub des Bahnprojekts Stuttgart 21 wiederverwendet", so die Architekten zu ihrem Entwurf.
Die Architekten blieben bei der Konzeption des Gebäudes dem Nachhaltigkeitsgedanken treu. So gibt es keine teuren und ressourcenfressenden Belüftungsgeräte - sondern einen Luftkanal, der kühle Luft aus dem nahe gelegenen Wald ins Gebäude leitet. Abgerundet wird das Projekt mit Geothermie- und Photovoltaikanlagen.

Noch ist Lehm als Baustoff in Deutschland ein Exot. Um das zu ändern hat die Bundesanstalt für Materialforschung und Materialprüfung (BAM) mit der Technischen Universität Darmstadt und der ZRS Ingenieure GmbH ein Forschungsprojekt gestartet, um herauszufinden, inwieweit Lehmmauerwerk für den Wohnungsbau geeignet ist.
Im Bereich der Dämmung ist man schon weiter. Hier werden Materialien eingesetzt, die recycelt wurden. Statt Stein- und Glaswolle, Schaumglas und Styropor als Dämmmaterial zu verbauen, greifen ökologische Bauherren zu Jute, Zellulose oder Holzfaser. Die eingesetzte Zellulose besteht aus Altpapier, Holzfasern sind ein Abfallprodukt der verarbeitenden Holzindustrie. Jute-Dämmung wird aus alten Säcken hergestellt.
Der Bauboom in Deutschland verbraucht Unmengen an Beton. Um ihn herzustellen, werden viel Kies und Sand verbaut. Beton ist kein eigener Rohstoff, sondern ein Zement-Gemisch aus verschiedenen Komponenten. Und die Herstellung ist energieintensiv.
Im Gegenzug entstehen durch Abrissarbeiten bergeweise Schutt und Altbeton, der nicht mehr benötigt wird. Dabei ist der Einsatz von Bauschutt und alter Straßendecken längst keine Nische mehr. Im Jahr 2016 wurden über 95 Prozent des Straßenaufbruchs recycelt. Allerdings: Von den Baustellenabfällen wurden nur 1,6 Prozent wiederverwendet und vom Bauschutt waren es weniger als 78 Prozent.
Das Problem: Bislang kommt Recycling-Beton nur selten beim Bau von Häusern zum Einsatz. Über die Hälfte des recycelten Baustoffs wird im Straßenbau eingesetzt, 21 weitere Prozent werden bei der Asphaltherstellung eingesetzt und 22 Prozent werden im Erdbau genutzt, so die "Kreislaufwirtschaft-Bau". Alter Beton findet sich in den Frostschutzschichten und der Grabenverfüllung. Bei der Herstellung von Beton liegt der Anteil an Recyclingmaterial bei gerade einmal einem Prozent.
Ein Haus aus Müll: UN17 in Kopenhagen
In Kopenhagen entsteht ab Ende des Jahres das "nachhaltigste Gebäude der Welt", so die Macher hinter dem Projekt. Die dänischen Architekten Lendager Arkitekter wollen für rund 830 Menschen ein Wohnquartier bauen, das ausschließlich aus recyceltem Material besteht. Das Ökodorf UN17 berücksichtigt somit als erstes Bauprojekt alle 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Die Upcycling-Materialien wie Beton, Fensterglas oder Holz werden so aufbereitet, dass sie ungiftig sind und ohne Probleme verbaut werden können. Die Idee dahinter: Die Natur kennt keinen Müll, alles geht zurück in einen Kreislauf. Das wollten die Architekten auch für das neue Dorf übernehmen und verstehen Abfall als Ressource, ohne dabei bei der Qualität oder dem Preis Abstriche hinzunehmen.

Doch das Projekt UN17 geht weiter, denn es soll nicht nur aus ökologischer Sicht nachhaltig werden, sondern auch sozial, betrieblich, raumklimabezogen und biologisch vielfältig. "Mit dem UN17 Village wollten wir nicht nur ein ikonisches und nachhaltiges Gebäude aus recycelten Materialien schaffen, sondern auch die Möglichkeit für einen nachhaltigen Lebensstil. Bisher lag der Schwerpunkt bei nachhaltigen Gebäuden hauptsächlich auf deren Kohlenstoffemissionen. Wir betrachten den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes - einschließlich Materialeinsatz, Gesundheit und Lebensqualität", so Anders Lendager, Chef und Gründer der Lendager Group.