Nach einem fünfmonatigen Intermezzo an der Infineon-Spitze verabschiedet sich Max Dietrich Kley zum zweiten Mal in seinem Leben in den offiziellen Ruhestand. Der Aufsichtsratsvorsitzende und frühere BASF-Manager hatte nach der Ablösung von Ulrich Schumacher den Vorstandsvorsitz kommissarisch übernommen und wieder Ruhe ins Unternehmen gebracht. Am 1. September übergab er den Vorstandssessel an den bisherigen Conti-Vize Wolfgang Ziebart. Auch danach wird Kley allerdings als Aufsichtsrat bei mehreren Unternehmen und als Funktionär aktiv bleiben.
"Ziebart wird eine Menge Erwartungen erfüllen müssen", sagte Infineon-Aufsichtsrat Dieter Scheitor von der IG Metall. Denn nach Milliardenverlusten in den vergangenen Jahren verdient Infineon nach Einschätzung von Analysten und Anteilseignern im Vergleich zur Konkurrenz zu wenig Geld. Die Arbeitnehmer wiederum fordern, dass Ziebart die Profitabilität verbessert, ohne die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland voranzutreiben. Da wichtige Entscheidungen anstehen, bleibt Ziebart nur wenig Zeit, sich in die neue Branche einzufinden.
In die wichtigsten Entscheidungen der vergangenen Wochen und Monate war der 54-jährige Ziebart bereits eingebunden. Im Unternehmen hat er dabei einen guten Eindruck gemacht. "Er hat großes technisches Verständnis und eine kollegiale Art", sagt ein Infineon-Manager.
Andere Vorstände hatten wieder mehr Freiraum
Nach der Übernahme des Chefpostens hatte der 64-jährige Kley Ende März gesagt: "Ich sehe meine Hauptaufgabe kurzfristig darin, Ruhe und Motivation bei den Mitarbeitern zu schaffen." Denn Schumacher, der das Unternehmen seit der Abspaltung von Siemens geführt hatte, war wegen seines selbstherrlichen Führungsstils gefürchtet. Seine Vertrauten saßen in den wichtigen Schaltzentralen. "Er hatte seine eigene Stasi, so wurde das im Unternehmen genannt", hieß es nach seiner Ablösung.
Nach dem turbulenten Abschied Schumachers ist erstaunlich schnell Ruhe eingekehrt. "Auf den Gängen ist schon eine ganz andere Stimmung", sagt ein hochrangiger Infineon-Manager. Kley habe Teamfähigkeit bewiesen. Der Interims-Vorsitzende war ohnehin oft nur zwei, drei Tage die Woche im Unternehmen. Die übrigen Vorstandsmitglieder hatten schon deshalb deutlich mehr Freiräume als zuvor unter Schumacher. Wermutstropfen von Kleys kurzer Amtszeit: Wegen hoher Rückstellungen rutschte Infineon im abgelaufenen Quartal überraschend wieder in die Verlustzone.
Der zurückhaltende Ziebart ist ein Gegenstück zum Ende März abgelösten Ulrich Schumacher. "Ziebart ist sicher nicht so ein Egomane. Er ist kein Glamour-Mann, sondern ein hart arbeitender Manager", erkennt auch Aufsichtsrat Scheitor an. Der schillernde Schumacher hatte die IG Metall unter anderem mit der Verlagerung von Konzernfunktionen ins Ausland, radikalem Stellenabbau und der Suche nach so genannten Schwachleistern gegen sich aufgebracht.
Kommissarische Tätigkeit auf ein Jahr begrenzt
Rechtlich darf ein Aufsichtsratsvorsitzender in Deutschland kommissarisch für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr den Vorstandsvorsitz übernehmen. Stillstand wollte Kley in dieser Übergangszeit vermeiden. In den vergangenen Monaten habe das Unternehmen unter Kleys Führung unter anderem eine Milliardeninvestition in den USA auf den Weg gebracht, wichtige Personalentscheidungen getroffen und sich gegen eine Abspaltung des volatilen Speicherchip-Geschäfts entscheiden, wird in Unternehmenskreisen betont. Dennoch wartet auf Ziebart nach Einschätzung von Branchenkennern keine leichte Aufgabe. Nach Milliardenverlusten in den vergangenen Jahren verdient Infineon im derzeitigen Branchenaufschwung zu wenig Geld.
Kley hatte nach dem Jurastudium in München, Heidelberg, Paris und Göttingen seine Karriere 1969 in der Rechtsabteilung von BASF begonnen. 1977 übernahm er die Leitung der Steuerabteilung, später war er Grubenvorstand und Leiter des Unternehmensbereichs Energie und Kohle. Seit 1990 gehörte er dem BASF-Vorstand an. Nach dem Antritt Ziebarts wird Kley wieder den derzeit ruhenden Infineon- Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Deshalb und wegen anderer Mandate dürfte der gebürtige Berliner auch künftig nur wenig Zeit haben für seine Hobbys Literatur, Geschichte und Geographie.