Ihnen werden auf der Arbeit immer häufiger Aufgaben übertragen, die eigentlich niemand machen möchte? Sie werden auf eine Stelle versetzt, die Sie unterfordert und womöglich auch schlechter bezahlt ist? Und das alles führt dazu, dass Sie mit ihrem Job unzufrieden sind und über eine Kündigung nachdenken?
Dann betreibt der Arbeitgeber womöglich "Quiet cutting" – und hat sein Ziel erreicht. Bei dem Arbeitstrend handelt es sich um eine Strategie, die laut "Wall Street Journal" vor allem in den USA immer populärer wird. Wenn Unternehmen die Belegschaft reduzieren müssen, greifen sie nicht zu Kündigungen, sondern schaffen Arbeitsbedingungen, unter denen frustrierte Mitarbeitende schließlich von selbst den Dienst quittieren.
"Quiet cutting": Mitarbeiter werden gegen ihren Willen versetzt
"Quiet cutting" heißt auf Deutsch so viel wie "stilles Schneiden" beziehungsweise "stilles Streichen": Der Arbeitgeber verzichtet auf einen harten Schnitt, also die Kündigung. Stattdessen beginnt ein zermürbendes Spiel, das den Arbeitnehmer dazu bewegen soll, das Unternehmen zu verlassen. Mitarbeitende verlieren zunächst nicht ihren Job, sondern die Position, für die sie ursprünglich eingestellt wurden. Manchmal wird auch ein Umzug gefordert. Die Firmen sparen sich so teure Abfindungen, unangenehme Gespräche und schlechte Presse. Miese Stimmung am Arbeitsplatz und frustrierte Mitarbeitende werden dabei offenbar billigend in Kauf genommen.
Die Angestellten haben dabei die Wahl, in einer Position zu arbeiten, die sie eigentlich nicht wollen – oder gleich zu kündigen. "Sie gaben mir das Gefühl: 'Wir schätzen, was du hier getan hast, deshalb haben wir dich nicht gefeuert. Du kannst das Beste daraus machen oder dir woanders einen Job suchen", beschrieb ein ehemaliger Mitarbeiter des Computer-Konzerns IBM dem "Wall Street Journal" seine Erfahrung. Derlei Umstrukturierungen würden gerade in vielen US-Unternehmen stattfinden, schreibt die Wirtschaftszeitung. Laut der Finanzforschungsplattform AlphaSense habe sich die Nennung von "Versetzungen" oder ähnlichen Begriffen in Gewinnmitteilungen von US-Unternehmen innerhalb eines Jahres verdreifacht.
Das sind die beliebtesten Arbeitgeber bei Nicht-Akademikern

Die Bedeutung von Amazon als Arbeitgeber nimmt weiter zu. Derzeit hat der Konzern in Deutschland rund 30.000 Beschäftigte, bis Jahresende sollen 6000 weitere hinzukommen. Die Arbeitsbedingungen in der Logistik werden zwar immer wieder harsch kritisiert, doch im Arbeitgeberranking von Trendence steigt Amazon gegenüber dem Vorjahr von Platz 19 auf 10. Befragt wurden mehr als 20.000 nicht-akademische Fachkräfte.
Gegenstück zum "Quiet quitting"
"Quiet cutting" stellt somit die Gegenbewegung zum "Quit quitting" dar, einem Begriff, der im vergangenen Jahr viral ging: Dabei beschränken sich Arbeitnehmer in ihrer Arbeit nur auf die notwendigen Tätigkeiten und zeigen darüber hinaus keine Eigeninitiative – sie verzichten auf Überstunden, Erreichbarkeit nach Feierabend oder Zusatzaufgaben. Nachdem zumindest in den USA jahrelang die Mitarbeitenden am längeren Hebel saßen, könnten nun die Unternehmen wieder mehr die Kontrolle übernehmen.
Für Angestellte kann "Quiet cutting" sehr belastend wirken, bis hin zu Depressionen und Burnout. Experten empfehlen, das offene Gespräch mit Vorgesetzten zu suchen und eine Versetzung dafür zu nutzen, sich in Ruhe Gedanken über seine weitere berufliche Zukunft zu machen.
Quellen: "Wall Street Journal" / "Huffington Post" / CNBC

Sehen Sie im Video: Arbeitgeber müssen heute aktiv um die Gunst der Arbeitnehmer buhlen, der Beruf steht für viele junge Menschen nicht mehr ganz oben, so scheint es. Gesellschaftspsychologe Thomas Ebenfeld erklärt das unter anderem mit der "Dominanz der Selbstverwirklichung". In die Zukunft blickt er "ein wenig pessimistisch."