"Ich weiß nicht, ob es meine Aufgabe ist, Spaß zu haben. Meine Aufgabe ist es, meine Pflicht zu erfüllen", antwortete der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, auf eine Frage eines Journalisten bei der Verkündunfg der neuesten Arbeitslosenzahlen. Gerster, der in letzter Zeit wegen der WMP-Affäre stark kritisiert worden war, hatte denn auch wenig Positives zu vermelden.
Verschärfte Kontrollen der Arbeitsämter und die starke Zunahme der Ich-AGs haben den Anstieg der Arbeitslosenzahl im November deutlich gebremst, sagte er. Die Zahl der amtlich registrierten Erwerbslosen erhöhte sich zu Beginn des Winters um 32 700 auf 4 184 500. Dies ist der höchste November-Stand seit sechs Jahren. Vor zwölf Monaten hatten die Arbeitsämter 158 700 Arbeitslose weniger registriert. Die Arbeitslosenquote verharrt bei 10 Prozent.
"Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik"
Florian Gerster machte für die seiner Ansicht nach günstige Entwicklung im November hauptsächlich die "Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik" verantwortlich. Dazu gehöre neben der verstärkten "Aktivierung von Arbeitslosen" auch die "Aktualisierung der Bewerberstände", meinte der BA-Chef mit Blick auf die verschärfte Überprüfung der Arbeitsbereitschaft Erwerbsloser. Dagegen hätten die von der wirtschaftlichen Belebung ausgehenden Impulse den Arbeitsmarkt noch nicht erreicht.
Positiv versuchte sich auch Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) zu geben. Die Wirkung der Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung gewinne mehr und mehr an Dynamik. Trotzdem sei die Konjunktur noch zu schwach, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Saisonbereinigt nahm die Arbeitslosigkeit im November um 18 000 auf 4,363 Millionen ab. Seit Ende April sei die um jahreszeitliche Sondereffekte bereinigte Zahl um 75 000 gesunken, sagte Gerster. Mit Blick auf die Verhandlungen mit der Union im Vermittlungsausschuss über die vorgezogene Steuerreform sagte er: "Wer in dieser Situation eine kräftige Steuersenkung verhindert, der lädt große Verantwortung auf sich.
Arbeitsplätze werden weiter abgebaut
Die Bundesanstalt räumte ein, dass trotz der anders lautenden Signale der jüngsten Arbeitsmarktzahlen viele Firmen weiterhin Arbeitsplätze abbauten. So weist die jüngste Erwerbstätigen-Statistik für September einen Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 182 000 auf 38,41 Millionen aus. Einer weiterhin steigenden Zahl von Arbeitslos-Meldungen im Vergleich zum Vorjahr stehe eine deutlich sinkende Zahl freier Stellen gegenüber.
Als problematisch werteten Arbeitsmarkt-Experten unterdessen die Tatsache, dass sich im November 352 000 Männer und Frauen bei den Arbeitsämtern abmeldeten, ohne eine neue Stelle gefunden zu haben. Das waren 86 000 oder 32,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Dies mindere die Aussagekraft der Arbeitslosenstatistik, hatten Bank-Analysten in den vergangenen Tagen betont. Würde man diese Gruppe hinzurechnen, läge die Zahl der Arbeitslosen im November bei mehr als 4,5 Millionen.
Gerster verteidigt Zahlen-Bereinigung
Gerster verteidigte die verstärkte Bereinigung der Statistik mit den gesetzlichen Anforderungen. Danach dürften nur diejenigen als arbeitslos geführt werden, die "von jetzt auf heute eine Arbeit aufnehmen könnten". Außerdem sei die Überprüfungspraxis in anderen Ländern weit strenger. So müssten sich Arbeitslose in Großbritannien alle 14 Tage bei ihrem Arbeitsamt melden; in Deutschland sei dies in der Regel alle drei Monate der Fall. Wer dann einen Arbeitsamtstermin versäume, sei offenbar nicht ernsthaft an einer Arbeit interessiert, fügte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt hinzu.
Keine Entwarnung gab die Bundesanstalt für den ostdeutschen Arbeitsmarkt. «Leider ist die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland immer noch doppelt so hoch wie im Westen», bedauerte Alt. In Westdeutschland wurden Ende November 2 665 800 Arbeitslose registriert. Das waren 27 800 mehr als im Oktober und 145 500 mehr als vor einem Jahr. In Ostdeutschland stieg die Zahl der Erwerbslosen um 4900 auf 1 518 700 (plus 13 200). Die Arbeitslosenquote lag im Osten bei 17,4 Prozent, die im Westen bei 8,1 Prozent.