Florian Gerster "Ohne Häme" gegen Zumwinkel

Florian Gerster, Arbeitgeberpräsident der Neuen Brief- und Zustelldienste, kämpft für die Marktliberalisierung und damit gegen 9, 80 Euro Mindestlohn und Privilegien der gelben Post. Die Messe "Post liberal" nutzt er aber für einen Angriff auf seinen Ex-Gegner Klaus Zumwinkel.
Von Christoph M. Schwarzer

"Tun wir ihm die Ehre an, ihn noch mal zu erwähnen", sagt Florian Gerster, Arbeitgeberpräsident der Neuen Brief- und Zustelldienste. Er redet von Klaus Zumwinkel, der eben wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung seinen Chefsessel bei der Post AG räumen musste. Jetzt wirkt jedes Wort über ihn wie ein Nachruf. Und der fällt "ohne Häme" und auch "ohne boulevardesk auf sein privates Fehlverhalten" einzuprügeln deutlich aus: Zumwinkel, so Gerster, wäre als letzter lupenreiner Vertreter der Deutschland AG ein dreister Manipulator der Politik gewesen.

Hier, auf der Messe "Post liberal" im Congress Centrum in Hannover, ist man unter sich. Hier kämpfen die neuen Briefträgerfirmen gegen den Koloss Post. Hier wird Tacheles geredet, vor allem gegen den Mindestlohn von 9,80 Euro pro Stunde. Den, da sind sich alle einig, habe die Politik durchgesetzt, weil die Post teilweise in Staatsbesitz ist. Und damit habe sich die Politik zum Komplizen von Zumwinkel gemacht. Ein kalter und unverfrorener Durchsetzer, das sei der Zumwinkel gewesen.

Kalkulierend und dreist

Florian Gerster verkneift es sich nicht, Auskunft über den Charakter von Zumwinkel zu geben. Der Verkauf des privaten Aktienpaketes unmittelbar nach der Bekanntgabe der Mindestlohnentscheidung und der damit verbundene hohe Gewinn sei nicht etwa eine Geschmacklosigkeit, sondern Kalkül gewesen: "Da musste auch der Letzte erkennen, wes Geistes Kind er ist." Und: "Wer jetzt erst über Herrn Zumwinkel ins Grübeln kommt, der hat über Jahre nicht verfolgt, wie er handelt." Ein leiser Nachruf ohne Nachtreten, mehr nicht.

Feind Nummer 1 und eigentlicher Gegner der Postmarkt-Liberalisierer ist nicht der geschasste Postchef, sondern der Mindestlohn in der Branche. Kein Politiker hätte es wegen der "Hungerlohn-Kampagne" der Gewerkschaft ver.di wagen können, sich offen gegen den Mindestlohn zu stellen, sagte Gerster auf der Pressekonferenz nach der Rede vor Verbandsmitgliedern und Unternehmern. Eine Ausnahme bildete nur der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP), der neben Gerster saß. Ihm gebühre Dank für die Solidarität mit den Neuen Brief- und Zustelldiensten, stellte der Sozialdemokrat Gerster fest und klopfte Hirche loyal und leicht auf die Schulter.

Gegen Mehrwertsteuerbefreiung

Neben dem "Monopolschutzlohn" ist den privaten Postdienstleistern die Mehrwertsteuerbefreiung der Post AG der zweite große Dorn im Auge. Diese sei eine rechtswidrige Staatsbeihilfe, stellten Vertreter des ebenfalls anwesenden Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste e.V. (BdKEP) fest. Die Bundesrepublik versuche aktuell mit diesem steuerlichen Diskriminierungsmittel, den eigenen Liberalisierungsfortschritt zurückzudrehen. Dem zarten Pflänzchen der Postkonkurrenz könne so leicht der Garaus gemacht werden.

So, wie er der PIN Group droht. Nachdem der größte Anteilseigner, der Axel Springer Verlag, im Dezember seinen Ausstieg bekannt gab, meldeten bisher 18 Tochtergesellschaften Insolvenz an, 19 weiteren steht der Konkurs ebenfalls ins Haus. Die Finanzdecke wird jeden Tag dünner, und wenn keine Lösung gefunden wird, stehen alle 9.000 Beschäftigten auf der Straße. Trotz der Existenz weiterer Anbieter wie TNT sind die Endkunden also weit entfernt von einer Marktvielfalt wie bei der Telekommunikation.

Eigener Tarifvertrag mit 7,50 Euro

Ein hoffungsschwangerer Stichtag für den BdKEP und die anderen Mitbewerber der gelben Post ist der 7. März. Dann wird vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Mindestlohnverordnung von Arbeitsminister Scholz verhandelt. Nach der Klage des BdKEP hat der Bundesminister seine gesetzliche Ermächtigungsgrenze überschritten. Er wolle den verbandseigenen Mindestlohntarifvertrag verdrängen. Und der sieht mit 7,50 Euro im Westen und 6,50 im Osten erheblich weniger als die momentanen 9,80 Euro vor.

Neben der Gerichtsentscheidung bleibt den Gegnern des 9,80 Euro-Mindestlohns noch die Hoffnung auf die nächste Bundestagswahl. Dann könnte eine schwarz-gelbe Koalition Schluss machen mit der Dauerforderung nach dem Mindestlohn. Bis dahin werden sich die Postkonkurrenten wie in dem "Märchen" fühlen, das TNT-Chef Stefan Middendorf von einer Werbeagentur dichten ließ und in dem, frei nach Tolkiens Herrn der Ringe, von dem gelben Herrn auf dem gelben Thron die Rede ist. Sollte mit diesem gelben Herrn Klaus Zumwinkel gemeint sein, hat sich zumindest dieses Problem gelöst. Für die Zukunft hat Middendorf dann eine weniger märchenhafte Sprache parat. Da geht es um Volumen und Wachstum, um Effizienz, Dynamik und die Stakeholder. Ein Mindestlohn von 9,80 Euro stört da gewaltig.

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