Reform Das Job-Wunder fällt aus

Schon vergessen? Bevor Kanzler Schröder seine "Agenda 2010" verkündete, wollte er die Pläne von Peter Hartz "eins zu eins" umsetzen. Doch die große Arbeitsmarktreform ist stecken geblieben.

Peter Hartz schweigt. Jeden Tag flattert dem Manager eine Interviewanfrage auf seinen Schreibtisch im 13. Stock des VW-Hochhauses in Wolfsburg. Doch der Vater der Arbeitsmarktreformen mag nicht darüber reden, was aus seinen "13 Modulen" zur Halbierung der Arbeitslosigkeit geworden ist.

Hinter verschlossenen

Türen lässt der 61-jährige Personalexperte keinen Zweifel an seinem Frust: Anders als es ihm sein Kanzlerfreund Gerhard Schröder versprochen hatte, wurde das Konzept "nicht eins zu eins umgesetzt". Und obendrein macht der Konjunkturabschwung jeden noch so kleinen Erfolg der Jobreformen zunichte. "Unser Konzept ist für den Aufschwung gemacht - nicht für die Dauerkrise", sagt ein Mitglied der Hartz-Kommission. Die Arbeitslosen sollten schneller auf offene Stellen vermittelt werden - doch in der Rezession fehlen die Jobs.

Pffffff. Wie bei einem

Luftballon sind die Jobhoffnungen zusammengeschnurrt: Hatten Hartz und seine Kommissäre im Sommer 2002 noch den Abbau der Arbeitslosigkeit um zwei Millionen innerhalb von drei Jahren angekündigt, so rechnen die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für das laufende Jahr nur noch mit 50.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen. Allerdings muss man noch dagegenrechnen, dass andere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wegfallen. "Der Nettoeffekt liegt irgendwo bei null", sagt Gustav Adolf Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) tut solche Rechnungen gern als "Miesmacherei" ab. Viele Neuregelungen würden noch gar nicht wirken. Tatsächlich gibt es die neuen 400-Euro-Mini-Jobs erst seit April; die Personal-Service-Agenturen nehmen jetzt ihren Betrieb auf. Die Pflicht für Entlassene, sich sofort nach der Kündigung beim Arbeitsamt zu melden, greift erst im Juli. Existenzgründungen in Form der neuen Ich-AG sollen durch Steuererleichterungen und Lockerungen des Handwerksrechts im Lauf des Jahres attraktiver werden.

Doch auch ein

Superminister kann nicht weglächeln, dass bei den meisten Hartz-Zahlen hinten mindestens eine Null gestrichen werden muss. Beispiel Job-Floater: Arbeitslose sollten das Kapital für ihren Job mitbringen. Mit 100 Milliarden Euro hätten so 100.000 Jobs geschaffen werden können. Beim Start des Programmes "Kapital für Arbeit" hatte Clement noch mit 50.000 Jobs kalkuliert. Bewilligt hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau bisher nur 225 Millionen Euro, die 3.033 Jobs gesichert oder geschaffen haben. "Das ist ein komplexes Programm", brummelt Bankchef Hans W. Reich.

Die Tücke liegt

im Detail - das zeigt sich auch bei der Leiharbeit. Der eigentliche Pfiff der Reform besteht darin, dass Arbeitslose über die Zwischenstation Zeitarbeit wieder einen festen Job finden sollen. Dafür aber, so das Hartz-Kalkül, müssen die Löhne 20 bis 30 Prozent niedriger sein. Dies sollte in Tarifverträgen geregelt werden. So hat es Rot-Grün auch ins Gesetz geschrieben - allerdings: Wenn es keinen Tarifvertrag gibt, müssen die Leiharbeiter genauso bezahlt werden wie ihre Kollegen im Entleihbetrieb. "Das war die Erbsünde bei der Umsetzung", empört sich einer aus der Hartz-Truppe.

Noch laufen die Tarifverhandlungen zwischen einem Zeitarbeitsverband und den DGB-Gewerkschaften. Aber Jürgen Uhlemann, Verhandlungsführer der Arbeitgeber, warnt schon mal: "Wenn der Tarifvertrag die Kosten stark verteuert, werden wir keinen Aufbau, sondern einen Abbau bekommen."

Verzwickt ist

auch die Lage in der Bundesanstalt für Arbeit (BA).Vorstandschef Florian Gerster bringt mit seinem scharfen Sparkurs nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch die eigenen Mitarbeiter gegen sich auf. Dabei müssen gerade die Beschäftigten beim Umbau von der alten Arbeitslosen-Verwaltung zum neuen Job-Dienstleister mitziehen. Das hat auch Roland-Berger-Berater Jobst Fiedler erfahren, der schon bei Hartz mit von der Partie war: "Die Gesetze sind schnell geändert worden, aber es ist anspruchsvoll, den Paradigmenwechsel in Zehntausende von Köpfen zu bekommen."

Unter dem

Motto "Teamarbeit für Deutschland" will Clement im Sommer bei den "Profis der Nation" für die Hartz-Reformen werben. Ob Hartz selbst dabei mitmacht, ist offen. Der Auto-Manager hat im Moment mit "schwierigen Zeiten" zu kämpfen. Auch bei VW ist die Nachfrage eingebrochen, und die Beschäftigung muss zurückgefahren werden.

Lorenz Wolf-Doettinchem

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