Die Lage am deutschen Gründermarkt ist schlecht. So lautet zumindest das Ergebnis einer repräsentativen Studie, die »Global Entrepeneurship Monitor«, kurz GEM, weltweit durchgeführt hat. Nach diesem Standortvergleich von 29 Industrienationen und Schwellenländern landet Deutschland nur auf einem enttäuschenden 22. Platz. Gerade einmal sieben von 100 Deutschen haben im letzten Jahr ein Unternehmen gegründet. In Italien waren es zehn, in den USA zwölf und im Spitzenreiter-Land Mexiko sogar 19. Professor Rolf Sternberg von der Universität Köln, wissenschaftlicher Leiter des deutschen GEM-Teams, fasst im Wirtschaftsmagazin »Impulse« zusammen: »Zwei Drittel der Staaten haben ein signifikant besseres Ergebnis. Dieser Befund ist Besorgnis erregend. Denn ein Land, das seine Gründer vernachlässigt, verliert auf Dauer seine Wachstumsdynamik.«
In fast allen Kategorien schlechte Ergebnisse
Grundlage der Studie sind Bevölkerungsumfragen mit mindestens 2.000 Interviews in jedem Land – in Deutschland waren es 7.000 – und intensive Gespräche mit Wirtschaftsexperten. Die Studie wurde 1999 vom Babson College, Boston, und der London Business School ins Leben gerufen. In diesem Jahr schneidet Deutschland in fastallen Kategorien schlechter ab als im Vorjahr. Letztes Jahr noch die Nummer drei unter den führenden Wirtschaftsnationen, rutschte Deutschland dieses Jahr auf den sechsten Platz ab. Auch im europäischen Vergleich sind Frankreich, Großbritannien, Irland, aber auch die EU-Anwärterstaaten Ungarn und Polen, an Deutschland vorbeigezogen. Auch bei der Kombination von Wachstum und Gründerquote ist Deutschland abgeschlagen. Experten, wie Markus S. Seitz von »Ernst & Young«, wissen, dass viele Gründungen für ein gutes Wachstum enorm wichtig sind: »Für jede Volkswirtschaft ist eine gesunde Gründerquote überlebenswichtig.«
Bei genauerem Hinschauen sind jedoch klare Unterschiede in Deutschland festzustellen. Im Saarland, in Hamburg und Schleswig-Holstein erwarten potenzielle Gründer wesentlich bessere Bedingungen als etwa in den neuen Bundesländern. Dennoch: In keiner deutschen Region sieht die Mehrheit der Befragten gute Möglichkeiten für eine Unternehmensgründung.
Aber die vernichtende Bilanz ist nicht allein auf die Rahmenbedingungen zurückzuführen. Vielen Deutschen fehlt einfach der Mut zum Unternehmertum. Über die Hälfte der Befragten gab zu, dass in erster Linie die Angst vorm Scheitern sie von einer Unternehmensneugründung abhalte. In dieser Bilanz sind die Deutschen Spitzenreiter aller 29 Länder. Hier liegen die USA klar vorn. Bitteres Zusatzergebnis: Jeder vierte Gründer ist nicht von einer Geschäftsidee überzeugt, sondern sieht sich von seiner prekären ökonomischen Lage zur Selbstständigkeit gezwungen.
Auch der Frauenanteil ist bedenklich: Gerade mal ein Drittel der Gründer sind Frauen.
Gute Finanzierungsmöglichkeiten
Dabei sehen die tatsächlichen Rahmenbedingungen gar nicht so schlecht aus. Für GEM wurden auch nahezu 1.000 Banker, Unternehmensberater und weitere Experten befragt: Bei ihnen kommt der Gründerstandort Deutschland besser weg als bei den Gründungswilligen. In keinem Land etwa unterstützt der Staat Gründer finanziell so umfangreich. Auch die freie Kapitalbeschaffung ist hier deutlich leichter als in den meisten anderen Staaten. Dennoch gibt es Strukturdefizite, in erster Linie schwer zugängliche Märkte sowie zu hohe Steuern und Abgaben. Auch die Experten sehen einen Mangel an unternehmerischem Potenzial in Deutschland. Weitere Kritikpunkte: langwierige Genehmigungsverfahren, schwache Kartellbestimmungen und unfaire Methoden etablierter Konkurrenten. Zudem wird Selbstständigkeit in Deutschland nicht gerade angemessen honoriert. Änderungsbedarf ist also ausreichend vorhanden.
Philip Stirm