Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat ihre Streiks im Öffentlichen Dienst auf elf Bundesländer ausgeweitet. Zugleich kam knapp eine Woche nach Abbruch der Verhandlungen in Baden-Württemberg Bewegung in den Konflikt, wo die Arbeitgeber und Gewerkschaft ein Sondierungsgespräch vereinbarten.
Erstmals beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft auch Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Thüringen an dem Ausstand. Sie protestieren gegen eine Anhebung der dort noch geltenden 40-Stunden-Woche auf 42 Stunden. Teilnehmerzahlen des Streiks in den Ländern wollte Verdi am Nachmittag vorlegen. Verdi wies Vorwürfe zurück, die Streiks von Autobahnmeistereien und anderen Straßendiensten seien mitverantwortlich für schwere Unfälle auf nicht gestreuten Straßen.
Mit der Ausweitung auf Thüringen wird neben Sachsen damit auch in einem zweiten ostdeutschen Land gestreikt. Im Westen gibt es in allen Ländern außer Hessen und Hamburg Streiks. In Hessen, das die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) verließ, gab es bisher keine Tarifgespräche. In Hamburg wurde ein Abschluss erreicht. Auch in Berlin wird nicht gestreikt, da es nach dem Austritt aus der TdL einen eigenen Tarifvertrag gibt. In den anderen Ländern will Verdi mit dem Streik, der am 6. Februar in Baden-Württemberg begann, die Anhebung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst im Westen von 38,5 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich verhindern.
Verhandlungen im Südwesten
In Baden-Württemberg wollten die Tarifparteien mit dem Sondierungsgespräch am Nachmittag einen Weg aus der Sackgasse nach dem Abbruch der Verhandlungen suchen. Der Kommunale Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) und Verdi wollten sich in kleinem Kreis treffen, teilte die Gewerkschaft mit. "Wir müssen ausloten, wie eine Einigung ermöglicht werden kann", sagte Verhandlungsführer Alfred Wohlfart.
Am Montag hatten beide Seiten ihre Verhandlungsbereitschaft bekundet. Die Arbeitgeber hatten ihren Vorschlag, 2500 Ausbildungsplätze in Baden-Württemberg zu schaffen, als Anknüpfungspunkt angesehen. Zuvor hatten bis zu 25.000 Gewerkschafter in Stuttgart gegen eine Arbeitszeiterhöhung auf 40 Stunden pro Woche demonstriert. Für Freitag ist ein Spitzengespräch der Länder mit der Gewerkschaft geplant.
Streik der Winterdienste Schuld an Autounfällen?
Verdi verteidigte die Streiks bei Straßendiensten gegen den Vorwurf, ohne die Streu- und Räumdienste werde auf glatten Straßen die Unfallgefahr erhöht. Diesen Vorwurf erhoben mehrere Autofahrer, unter anderem am Rande eines Unfalls auf der Autobahn 25 bei Hamburg, wo die Autobahnmeistereien im Ausstand sind. Ein Sprecher des Beamtenbundes in Hamburg, der mit Verdi die Streiks organisiert, sagte, es gebe keinen zwingen Zusammenhang zwischen den Unfällen und den Streiks. "Es ist eine legitime Streikmaßnahme." Zudem gebe es überall Vereinbarungen über Notdienste für dringende Streuarbeiten.
Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Dietrich Austermann (CDU) bezeichnete die Aktion als "unverantwortlich". Verdi dürfe nicht streiken, solange Schnee und Glätte den Verkehr gefährdeten. Zudem treffe die Gewerkschaft damit keineswegs ihren Tarifpartner, sondern die Autofahrer und damit auch tausende von Berufspendlern, sagte der Minister in Kiel. Indirekt drohte Austermann mit einer völligen Privatisierung der Räumdienste. Die Gewerkschaft zeigte sich von den Drohungen unbeeindruckt: "Das gehört zu der erwarteten Rhetorik", so Verdi-Sprecher Mahler.
Laut Verdi werden 17 Straßen- und Autobahnmeistereien in Schleswig-Holstein und beide Autobahnmeistereien in Hamburg bestreikt. Ein Sprecher des Verdi-Bezirks Nord verwies darauf, dass die Streiks nach dem Wintereinbruch in der vergangenen Woche ausgesetzt und erst später wieder aufgenommen wurden. "In der Zeit dazwischen gab es auch Unfälle, das kann also nicht in erster Linie am Streik liegen", sagte er. In Bayern streiken laut Verdi acht von neun Autobahnmeistereien, da sich die Straßenverhältnisse verbessert hätten.