Was bringt der Lockdown wirklich, fragt eine Studie von JP Morgan, und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis. Der Autor Marko Kolanovic behauptet, die Regierungen seien durch "fehlerhafte wissenschaftliche Arbeiten" dazu verleitet worden, den Lockdown zu verhängen, der "ineffizient oder zu spät" gekommen sei und insgesamt wenig Wirkung zeigte. Das Problem an dem Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens sei, dass diese Maßnahme extreme Nebenwirkungen für die Wirtschaft mit sich bringe. Anders als das Hochfahren von Corona-Tests oder die forcierte Entwicklung neuer Medikamente.
Datenanalyse
Die Studie des Finanzgiganten basiert auf der Auswertung der offiziellen Zahlen an Infizierten und Todesfällen. In vielen Ländern sind die Infektionsraten auch nach Aufheben des Lockdown gesunken. Das lege, so die Studie, den Gedanken nahe, dass die Ausbreitung des Virus "wahrscheinlich eine Eigendynamik hat", die "nichts mit den oft inkonsistenten Lockdown-Maßnahmen zu tun hat".
Dem Bericht zufolge haben Verhaltensänderungen wie häufiges Händewaschen und das Tragen von Schutztüchern oder auch Wetterveränderungen einen größeren Einfluss auf die Infektionsrate als der Lockdown der Wirtschaft, und das ohne seine enormen Kosten. In vielen europäischen Ländern deuten Studien darauf hin, dass die Maßnahmen "keine Veränderung der Pandemieparameter" wie der R-Rate bewirkten, heißt es im Bericht von JP Morgan. "Gleichzeitig wurden Millionen von Lebensgrundlagen durch diese Abriegelungen zerstört."
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Datenbasis zeigt die Grenzen von Studien
Da beide Studien nur auf den gemeldeten Daten beruhen, leiden sie besonders unter dem Problem, dass diese Daten nicht verlässlich sind. Vor allem die gemeldeten Infektionszahlen hängen weitgehend davon ab, wie stark in den jeweiligen Ländern getestet wird. Zeitweise konnten etwa in Italien nur Patienten mit schweren Krankheitsverläufen getestet werden, so war die Zahl der offiziell registrierten Infizierten sehr gering, die Dunkelziffer entsprechend hoch. Allerdings dürfte die Zahl der gemeldeten Toten in den entwickelten Staaten belastbarer sein. Auch wenn die direkten Auswirkungen des Lockdown geringer sind als gedacht, sind indirekte Wirkungen möglich, die beide Studien nicht erfassen. Etwa, dass sich Problembewusstsein der Bevölkerung, wie die Bereitschaft, Masken zu tragen oder Kontakte zu reduzieren, durch so eine radikale Maßnahme weit stärker ändert, als durch Appelle in den Nachrichten. Doch es bleibt die Frage, ob die Kosten eines Lockdown wirklich durch seine Wirkung auf den Verlauf der Pandemie gerechtfertigt werden. Eine wirkliche Antwort wird es erst in einigen Jahren geben, wenn die Statistiken nach dem Abflauen der Pandemie ausgewertet werden.
Quelle:JP Morgan, Jerusalem Post