Nach dem neuesten Urteil darf die niederländische Versandapotheke DocMorris ihre Saarbrücker Filiale wieder öffnen. Bei den deutschen Apothekern ist diese Entscheidung auf Kritik gestoßen. "Das ist ein Schritt in die falsche Richtung", sagte Verbandspräsident Heinz-Günter Wolf am Dienstag in Berlin. Ein deutsches Gericht ebne damit den Weg für ein "rein dem Kapital verpflichteten Apothekenwesen". Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis hatte in einem Eilverfahren entschieden, dass die Kapitalgesellschaft ihre im September geschlossene Apotheke in Saarbrücken wieder betreiben darf. Eine endgültige Entscheidung soll jedoch erst im Hauptverfahren fallen, das mehrere Jahre dauern kann.
Mit seinem Beschluss bejahte das Gericht die entscheidende Frage, ob DocMorris - wie in den Niederlanden - auch in Deutschland eine Apotheke unterhalten darf. Bislang gilt, dass Kapitalgesellschaften keine Apotheken betreiben dürfen und ein Apotheker maximal vier Filialen betreiben darf. Das Gericht verwies aber auf europäisches Recht, wonach Kapitalgesellschaften in der gesamten europäischen Union Niederlassungsfreiheit genössen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesverfassungsgericht hätten den Vorrang des Europarechts anerkannt.
Apotheken-Verbandschef Wolf sagte dagegen, die Erlaubnis stehe im Widerspruch zum deutschen Apothekenrecht. Das Gericht spreche Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit ab, Betriebsformen zu verbieten, die überwiegend an Investoreninteressen orientiert seien. Dies werde Nachteile in der Arzneimittelberatung und - versorgung mit sich bringen.
Wolf sagte Reuters: "Konzerne sind keine barmherzigen Samariter, sondern es geht um die Erfüllung von Vorgaben. Am Beispiel von Norwegen und den USA hat sich gezeigt, dass die Versorgung der Bevölkerung dadurch nicht besser wird." Ein von Kapitalgesellschaften getragenes System bedeute zudem nicht, dass es automatisch für Kassen und Bürger billiger werde.
Apotheker und Verbände zogen vor Gericht
Die saarländische Regierung hatte DocMorris erlaubt, Anfang Juli 2006 eine Niederlassung in Saarbrücken zu eröffnen. Dagegen waren einzelne Apotheker und Verbände vor Gericht gezogen. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Saarlouis hatte die Landesregierung die Filiale am 14. September vorübergehend schließen lassen. Das OVG gab nun den Beschwerden von DocMorris und dem saarländischen Ministerium gegen die Schließung statt.
Das niederländische Unternehmen wirbt damit, dass es nicht-verschreibungspflichtige Präparate um bis zu 30 Prozent billiger anbietet. Bei eingelösten Rezepten erlässt der Versandhandel den Patienten die Hälfte der Zuzahlung und gewährt den Kassen Rabatte. DocMorris will in Deutschland eine Apothekenkette errichten. Erklärtes Ziel sind 500 Filialen in den nächsten drei bis fünf Jahren. An zwei Standorten in Deutschland werden Filialen bereits von ansässigen Apothekern mit Lizenzen von DocMorris betrieben.