Es klang alles so schön. Die armen Balkan-Länder Bulgarien und Rumänien sollten nach der historischen Erweiterung der EU um zehn Länder vor einem Jahr mehr Zeit zur Beitritts-Vorbereitung bekommen. Doch inzwischen ist das Klima in Brüssel rauer geworden. Haushaltsprobleme in Kernstaaten wie Frankreich und Deutschland, die Unsicherheit über die Annahme der EU-Verfassung und der Wirbel um den EU-Kandidaten Türkei dämpften die Erweiterungseuphorie in der EU erheblich.
Harte Schutzklauseln gegen Reformrückschläge
Zwar wurden die Beitrittsverträge für Rumänien und Bulgarien am 25. April in Luxemburg unterschrieben. Auch das Datum der Aufnahme der beiden NATO-Länder steht schon fest: 1. Januar 2007. Doch der Termin ist weiterhin mit einem Fragezeichen versehen. In den Verträgen sicherte sich die EU harte Schutzklauseln, mit denen der Beitritt im Fall von Reformrückschlägen um ein Jahr auf 2008 verschoben werden kann.
Besonders Rumänien macht Sorgen. Die Sicherheitsklauseln können bei Rumänien in den Bereichen Justiz und innere Angelegenheiten sowie beim Wettbewerb von den alten Mitgliedstaaten deutlich leichter in Kraft gesetzt werden als bei Bulgarien. Brüssel nimmt die Reformen in Sofia und Bukarest weiterhin akribisch unter die Lupe. Der nächste Bericht ist für November geplant. Die Hausaufgaben lauten: Reform des Justizsystems, Kampf gegen die Korruption und Eingliederung der Roma-Minderheit. Im Fall Rumänien kommen der Umweltschutz oder der Umbau der Verwaltung dazu.
Beide der Vorwürfe müde
In Sofia ist man der wenig schmeichelhaften Worte aus Brüssel etwas müde geworden. "Man spricht besser von einem Ansteigen der Transparenz als von einer Verminderung der Korruption", meint der bulgarische Außenminister Solomon Passi. Der neue rumänische Staatspräsident Traian Basescu warf der EU bereits im März vor, sein Land pauschal als bestechlich zu brandmarken.
In Brüssel zeigt man sich unbeeindruckt. Die EU macht mit der Hintertür der Schutzklauseln deutlich, dass die Erweiterung zum Nulltarif nicht zu haben ist. Ein anderer Lehrfall ist Kroatien. Da Zagreb nur unzureichend mit dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag zusammenarbeitet, verschob die 25er Gemeinschaft den für März geplanten Beginn der Beitrittsverhandlungen auf unbestimmte Zeit. Auch mit der Türkei wird nicht gespaßt. Zwar sollen die Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober beginnen. Doch Ankara muss sich auf beinharte Verhandlungen, viele Ausnahmenregelungen und eine Mitgliedschaft nicht vor 2015 gefasst machen.
Keine Erweiterung zum Nulltarif
Die Vorbereitungen für die Übernahme des EU-Rechts mit einem Umfang von 80.000 Seiten verlangen Bulgarien und Rumänien erhebliche Anstrengungen ab. Das wirtschaftlich erfolgreiche Bulgarien will beim EU-Endspurt vermeiden, mit Rumänien in einen Topf geworfen zu werden. Sofia lobt dabei die EU-Schutzregeln sogar als nützlich, denn sie beruhigten bereits kritische Europaabgeordnete in Straßburg. Das Parlament schaffte es aber, sich bei der Entscheidung über eine mögliche Verschiebung der Beitritte ein wichtiges Mitspracherecht zu erkämpfen.
Der selbstbewusste Minister Passi gibt sich trotz aller Unsicherheiten zuversichtlich: "Wenn wir es schaffen, das Reformtempo in den nächsten drei Jahren wie bisher durchzuziehen, werden die Schutzklauseln für Bulgarien nicht angewendet werden." Passi sitzt in einer Mitte-Rechts-Regierung, der bei den Parlamentswahlen am 25. Juni ein Rückschlag droht. Es gibt jedoch einen Konsens, auch bei anderen Mehrheiten den Kurs auf Europa fortzusetzen.