Daten-Affäre Bahn ließ Mitarbeiter-Mails ausspähen

Die Daten-Affäre bei der Bahn spitzt sich zu. Die massenhafte Überprüfung von Mitarbeitern diente offenbar nicht allein der Korruptionsbekämpfung - es sollten auch Lecks im Konzern gefunden werden. Die Gewerkschaften sind empört und distanzieren sich von Vorstandschef Hartmut Mehdorn.
Von Marcus Gatzke

In der Daten-Affäre bei der Deutschen Bahn gibt es weitere Details, die dem Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn letztlich seinen Job kosten könnten. Nach Informationen von stern.de soll auf der heutigen Aufsichtsratssitzung bekannt geworden sein, dass auch E-Mails von Mitarbeitern ausspioniert worden sind.

Auf dem Treffen des Kontrollgremiums haben die von den Gewerkschaften beauftragten Sonderermittler Gerhart Baum und Hertha Däubler-Gmelin mündlich über die bisherigen Erkenntnisse berichtet. '"Es soll hoch her gegangen sein", hieß es aus informierten Kreisen. Ein Rücktritt von Mehdorn sei nicht ausgeschlossen.

E-Mails, in denen Namen von bestimmten Journalisten auftauchten, sollen ohne Wissen der betroffenen Mitarbeiter automatisch an eine interne Kontrollinstanz weitergeleitet worden sein, wie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) unter Berufung auf Konzernkreise berichtet. Für diese Zwecke sei eine entsprechende technische Vorkehrung geschaffen worden, eine Art "automatische Weiterleitungsfunktion".

Auch bei dieser gezielten Suche nach Kontakten zu Journalisten soll es sich dem Bericht zufolge um eine "großflächige" Aktion gehandelt haben, von der ein größerer Teil der Belegschaft erfasst worden sei. Die Ermittler, zu denen auch die Wirtschaftsprüfer von KPMG gehören, hätten "zahlreiche Akten" ausgewertet und bereits 60 Mitarbeiter des Staatsunternehmens als Zeugen vernommen.

"Katastrophal für die Bahn"

Im Aufsichtsrat sorgte diese Spähaktion am Freitag nach mehreren übereinstimmenden Angaben erneut für Unmut über den Bahnvorstand und Konzernchef Mehdorn. Dieser Vorgang sei eine "Katastrophe" für das Staatsunternehmen, das mit solchen Aktionen kein Vorbild für den Umgang mit Mitarbeitern sei. Besonders die Gewerkschaftsvertreter seien empört und diskutierten nun darüber, ob Mehdorn als Bahnchef noch haltbar sei, erfuhr stern.de aus informierten Kreisen. Auch der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums im Aufsichtsrat, Staatssekretär Achim Großmann, gehe auf Distanz zu Mehdorn. Beim Verlassen der Sitzung gab sich Großmann zugeknöpft: "Die Vorwürfe sind bedrückend", sagte der Staatssekretär. Er müsse sich jetzt mit dem Verkehrsminister besprechen.

Ohne konkrete Verdachtsmomente hat die Deutsche Bahn Führungskräfte und Mitarbeiter auf Korruptionsverdacht überprüft. Der stern hatte Ende Januar die Daten-Affäre aufgedeckt. In fünf Kontrollaktionen wurden seit 1998 Stammdaten von 173.000 Angestellten und 80.000 Lieferfirmen abgeglichen. Dazu gehörten Adressen, Telefon- und Kontonummern. Berliner Datenschützer beanstandeten, dass Mitarbeiter, bei denen sich kein Verdacht auf Fehlverhalten ergab, nicht über die Überprüfung informiert wurden.

Mehdorn hat stets betont, er habe von den Aktionen der ihm direkt unterstellten Revisionsabteilung nichts gewusst. Eine Überwachung von Aufsichtsräten oder Journalisten habe es zudem nicht gegeben.

Korrektur: stern.de hatte in einer ersten Version des Artikels geschrieben, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sei in den Bahn-Tower gefahren, um an der Sitzung des Aufsichtsrates teilzunehmen. Dies ist nicht korrekt: Steinbrück ist vorgefahren, er nahm jedoch nicht an der Sitzung des Kontrollgremiums teil.

(mit Agenturen)

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