Hartmut Mehrdorn, Chef der Bahn, will das Schienennetz behalten, wenn sein Konzern an die Börse geht - ein Plan, dem Verkehrsexperten heftig widersprechen. Bei der Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses am Mittwoch in Berlin hieß es, dieses Modell behindere den Wettbewerb und sei aus rechtlichen Gründen falsch. "Man würde ein hinkendes Wesen auf den Weg schicken, und links und rechts sieht man noch Leute, die ihm Knüppel zwischen die Beine werfen", sagte Professor Georg Hermes von der Universität Frankfurt. Der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Basedow, warnte vor europarechtlichten Risiken. Der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin, der früher im Bundesfinanzministerium und bei der Deutschen Bahn tätig war, stellte zudem das Zahlengerüst des Unternehmens in Frage. Bei einem Börsengang nach dem Mehdorn-Modell könne der Bund nur mit sehr geringen Einnahmen rechnen. Dem stünden aber große Risiken gegenüber.
Merkel hält sich bedeckt
Im Verkehrsausschuss zeichnet sich seit längerem eine Mehrheit ab, die Netz und Betrieb trennen will. Die Parlamentarier erwarten sich davon mehr Wettbewerb auf der Schiene. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatte sich allerdings am Wochenende erstmals für das Mehdorn-Modell ausgesprochen. Der einzige Verfechter des Modells unter den geladenen Experten, der Berliner Professor Christian Kirchner, hatte seine Teilnahme an der Anhörung abgelehnt - weil ihm die anderen Experten zu einseitig schienen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bisher in der Debatte bedeckt gehalten. Spätestens bis zum Herbst soll eine Entscheidung über Form und Zeitpunkt der Privatisierung fallen.
Ex-Bahn-Netzvorstand Sarrazin bezeichnete die in dem Bahn-Gutachten zum Börsengang zugrunde gelegten Gewinnziele als nicht erreichbar. In den nächsten drei bis vier Jahren müssten sonst etwa 60.000 Stellen abgebaut werden. Das wäre gut ein Viertel der Belegschaft. Sarrazin plädierte daher dafür, die Entscheidung über den Börsengang aufzuschieben. Die Bahn müsse erst die Seriosität ihrer Planung unter Beweise stellen.
Am 1. Juni sind die Verbände zur Anhörung geladen. Dann soll auch die Bahn selbst gehört werden.