Die seit Tagen anhaltende flächendeckende Lähmung des Flugverkehrs ruft inzwischen europaweit Kritik an den Luftraumsperrungen hervor. Die internationale Luftfahrtindustrie kritisierte am Montag scharf die Regierungen in Europa. Spanien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, forderte eine einheitliche EU-Linie. In Deutschland wird der Luftraum aller Voraussicht nach bis mindestens 2 Uhr am Dienstagmorgen gesperrt bleiben. Gegen Abend sollte erstmals ein Messflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aufsteigen.
Der Luftfahrtbranchenverband IATA erklärte sich sehr unzufrieden damit, "wie die Regierungen damit umgegangen sind, ohne Risikoabschätzung, ohne Konsultationen, ohne Koordination und ohne Führung". Die Schließung wichtiger Lufträume koste die Fluglinien rund 150 Millionen Euro täglich und betreffe Millionen von Reisenden. "Es hat fünf Tage gedauert, bis eine Konferenz der Verkehrsminister organisiert wurde, und wir verlieren 200 Million (Dollar) am Tag und 750.000 Passagiere sind insgesamt gestrandet", sagte IATA-Chef Giovanni Bisignani der Nachrichtenagentur AP. Grundlage der Entscheidung dürfe nicht nur ein theoretisches Modell sein.
Wegen der unterschiedlichen Regelungen auf nationaler Ebene forderte auch Spanien ein einheitliches Vorgehen der EU. Die Verkehrsminister der Union wollten am Nachmittag per Videokonferenz über Wege aus dem seit Tagen anhaltenden Chaos beraten. Der für Verkehr zuständige EU-Kommissar Siim Kallas wies darauf hin, dass es für derartige Krisen bislang keine EU-Richtlinien gebe, und forderte rasches Handeln. Die Europäische Luftfahrt-Sicherheitsbehörde erklärte, es gebe derzeit "keine einheitliche Meinung, was eine akzeptable Konzentration von Asche in der Atmosphäre ist".
Nach und nach nehmen in Europa immer mehr Flughäfen den Betrieb wieder auf: Am Montagmorgen wurde unter anderem der Luftraum von Österreich geöffnet. Auch im Norden konnten wieder Passagiermaschinen fliegen: In Finnland öffneten die Flughäfen von Tampere und Turku, Helsinki blieb geschlossen. Seit Sonntagabend konnte auch fast der ganze norwegische Luftraum wieder genutzt werden. In Schweden wurde der Stockholmer Flughafen Arlanda wieder freigegeben.
Aber auch dort, wo die Maschinen wieder starten durften, mussten weiter viele Flüge abgesagt werden, da die Behörden in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich ihre Lufträume weiter gesperrt hielten.
Der Luftraum über Deutschland wird aller Voraussicht nach bis mindestens Dienstag, 02.00 Uhr nachts, gesperrt bleiben. Allerdings könnten neue Erkenntnisse des DLR-Forschungsflugzeugs oder ein Wetterumschwung die Entscheidung ändern, wie die Deutsche Flugsicherung erklärte. Ihr Sprecher Axel Raab sagte im ZDF, er könne die Kritik der Fluggesellschaften angesichts der finanziellen Verluste verstehen. Erst jetzt habe aber das DLR eine Maschine mit Geräten ausrüsten können, mit denen man die Asche-Konzentration messen könne. "Das ist ja für uns alle eine Premiere", sagte Raab.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer betonte im Deutschlandradio, dass die Behörden an internationale Vorgaben gebunden seien. In die Entscheidung fließe "ein Meer von Daten" ein, dazu gehörten auch konkrete Messungen und die Daten aus den Testflügen der Fluggesellschaften. Zu den wirtschaftlichen Schäden sagte der Minister, die Fluggesellschaften wüssten, dass sie vom Wetter abhängig seien. Er wehre sich "gegen jeden Ruf an den Staat".
Air-Berlin-Sprecher Hans-Christoph Noack verwies im Bayerischen Rundfunk darauf, dass sich gerade im unteren Flugraum, in dem die Testflüge stattgefunden hätten, besonders viel Asche befinde. Die Testflüge hätten gezeigt, dass es dennoch keine Schäden gegeben habe.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag schätzt, dass das Flugverbot die heimische Wirtschaft jeden Tag eine Milliarde Euro kostet. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle lud für den Nachmittag Vertreter der Industrie in sein Ministerium ein, um sich über die Folgen der Luftraumsperrung informieren zu lassen.
Reiseveranstalter holten derweil weiterhin festsitzende Urlauber mit Bussen nach Deutschland zurück.