Die Gesundheitsreform verhindert vollständig das befürchtete Defizit der gesetzlichen Krankenkassen, Zusatzbeiträge würden im kommenden Jahr nicht fällig. Diese auch für die Versicherten positive Nachricht verlautete am Donnerstag in Berlin aus dem Schätzerkreis für die gesetzliche Krankenversicherung.
Zusätzliche Steuermittel in Höhe von zwei Milliarden Euro könnten dementsprechend für den geplanten Sozialausgleich genutzt werden, hieß es. Dies hätten die Experten von Bundesversicherungsamt, Gesundheitsministerium und Krankenkassen einvernehmlich prognostiziert. Der Schätzerkreis tagte in Bonn.
"Auf Einsparungen nicht verzichten"
Zunächst war ein Defizit von elf Milliarden Euro erwartet worden. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hatte gesagt, die angesprungene Konjunktur vermindere die Lücke wohl auf rund zehn Milliarden. Der Beitragssatz soll kommendes Jahr von 14,9 auf 15,5 Prozent steigen, das Umsatzplus von Ärzten, Kliniken und Pharma um 3,5 Milliarden gesenkt werden. Die nach oben offenen Zusatzbeiträge sollen künftige Kostensteigerungen ab 2012 decken.
Der Chef des Ersatzkassenverbands VDEK, Thomas Ballast, sagte der Nachrichtenagentur DPA: "Es ist ein gutes Ergebnis, dass mit den zusätzlichen Steuermitteln und den Beitragssatzerhöhungen kein Defizit entstehen wird." Auf Einsparungen dürfe jetzt aber nicht verzichtet werden. So drohe eine Abschwächung der Arznei-Sparpläne durch Änderungsanträge der Koalition.
Jede Menge Häme im Bundestag
Im Bundestag überzogen sich Opposition und Koalition bei der ersten Beratung der Reform mit Vorwürfen. SPD und Grüne werfen Rösler Ungerechtigkeit vor, weil sie ein Milliardendefizit hinterlassen hätten. "Wir müssten jedes fünfte oder sechste Krankenhaus schließen", sagte Rösler. Die Regierung stopfe nun aber das Milliardenloch 2011. Politiker der Opposition wiesen die Vorwürfe zurück. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte vor einer "Störung des sozialen Friedens" wegen des Plans, alle künftigen Milliardensteigerungen über Zusatzbeiträge zu begleichen. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner warf Rösler vor, die Abrissbirne ans Solidarsystem anzusetzen: "Wir werden 2013 diesen Murks - alles - wieder rückgängig machen."
Rösler räumte ein, das damit verbundene Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge sei keine angenehme Antwort auf die Herausforderungen. Doch nur so könne der Teufelskreis durchbrochen werden, dass mehr Gesundheitsschutz weniger Beschäftigung bedeute. Grüne und Linke kritisierten dies als unsozial. Rösler entgegnete: "Selbstverständlich wird es einen Sozialausgleich aus Steuermitteln geben - damit wird die Solidarität auf breitere Basis gestellt."