Der Begriff "Hartz IV" ist gemeinhin alles andere als positiv besetzt. Hartz IV bedeutet für die Betroffenen finanzielle Abhängigkeit und täglichen Existenzkampf. Eine aktuelle Werbekampagne zeichnet dagegen ein ganz anderes Bild: "Hartz IV schenkt mir Freiheit", strahlt eine Frau namens Anna in die Kamera. "Ich wohne mit meinem Sohn alleine und kann mich trotzdem richtig gut auf mein Studium und meine Karriere konzentrieren." Wenn sie nicht weiterwisse, rufe sie einfach im Jobcenter an, "die gehen sofort ran und helfen mir".
Das Video ist Teil einer ominösen Kampagne, die die positiven Seiten von Hartz IV beleuchten will. Die Videos laufen auf Facebook und Twitter, auch ein Plakatmotiv der Kampagne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin sorgte in den vergangenen Tagen für Aufsehen. Unter dem Motto "Du bist es uns wert" werden Hartz-IV-Bezieher aufgefordert, ihre "Happy mit Hartz"-Geschichten einzusenden. Als Absender der Botschaften agiert "Mein Jobcenter", das Logo ist das der Arbeitsagentur, nur auf den Kopf gestellt.
Arbeitsagentur distanziert sich
Das alles ist reichlich seltsam, denn die Jobcenter haben mit der Kampagne definitiv nichts zu tun. "Das ist keine Seite von uns", bestätigt eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage. "Wir können auch niemandem raten, seine Geschichte dorthin zu schicken, weil wir nicht wissen, ob der Datenschutz gewährleistet ist." Wer hinter der Kampagne steckt, weiß man bei der Arbeitsagentur auch nicht.
Auf der Internetseite "mein-jobcenter.com" heißt es lediglich, die Kampagne sei "auf Initiative von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik" entstanden. Man wolle die soziale Marktwirtschaft in Deutschland erhalten und den Arbeitsmarkt weiter stärken. Im Impressum und als Pressekontakt ist eine Paula Rosenholz der Agentur Parnass aus Berlin angegeben. Wer ihr eine Mail schreibt, wird auch tatsächlich zurückgerufen.
Hartz-IV-Geschichte passt inhaltlich nicht
Frau Rosenholz erklärt am Telefon, die Kampagne wolle eine "positive Perspektive" auf Hartz IV liefern, man solle doch nicht immer so tun, als sei Hartz IV das Schlimmste seit Einführung des Sozialstaats. Zu den Initiatoren könne sie leider keine genaueren Angaben machen. Wegen des negativen Feedbacks traue sich keiner von ihnen an die Öffentlichkeit. Ob das alles eine zynische Form von Satire sei? Nein, das sei ein ernstes Thema, damit dürfe man sich doch keinen Spaß erlauben.
Auf die Auflösung, wer hinter der Geschichte steckt, müssen wir möglicherweise noch etwas warten. Vier Wochen soll die Kampagne angeblich laufen. Stimmig ist sie jedenfalls nicht. Die drei im Video gezeigten Personen beziehen zwar angeblich alle tatsächlich Hartz IV und erzählen ihre wahre Geschichte. Bei der Arbeitsagentur hat man da aber so seine Zweifel: Der Fall der Happy-Hartz-Anna sei schon inhaltlich nicht realistisch, sagt die Arbeitsagentur-Sprecherin. Hartz IV würde die 28-jährige Studentin nämlich gar nicht bekommen. Sie sei ein Fall fürs Bafög.
Update 7.12.: Mittlerweile hat sich der Hartz-IV-kritische Verein "Sanktionsfrei" als Initiator der Aktion offenbart. "Sanktionsfrei" setzt sich für ein Existenzminimum ohne Auflagen und ohne Leistungskürzungen ein. "Wir haben Menschen gefragt, wie sie sich Hartz 4 wünschen und ihre Antwort einfach mal ins Netz gestellt", heißt es auf der aktualisierten Homepage.