Es ist ein Irrglaube zu hoffen, dass Probleme sich aussitzen lassen." So analysierte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke unlängst die Lage des Standorts Deutschland in einem "Bild"-Essay - und viele seiner Aktionäre hoffen, dass sich der Manager seinen Boulevard-Appell auch am eigenen Arbeitsplatz zu Herzen nimmt.
Beobachter sind unisono der Meinung, dass die Telekom zunehmend Boden gegenüber den zahlreichen aggressiven Wettbewerbern verliert - und dass dafür auch der Vorstandschef verantwortlich zu machen ist. Seit dessen Amtsantritt im November 2002 mussten die Anleger von der Dividende zehren. Das Kursplus der T-Aktie unter Ricke: 0,17 Prozent. Am Donerstag präsentiert er die neuen Quartalszahlen.
Das Portrait über Ricke
erschien auf www.ftd.de dem Online-Dienst der Financial Times Deutschland.
Vasallen regieren unabhängig
Der Wettbewerb mag hart sein, die Regulierung unerbittlich - den Telekom-Chef schützt das nicht vor Schuldzuweisungen. Kritiker halten Ricke vor, er habe den dringend notwendigen Konzernumbau nicht angepackt. "Energisch und beherzt zugreifen, das ist seine Sache nicht", murrt ein Topberater.
Dass Ricke die bisherige Konzernstruktur weitgehend konserviert hat, rächt sich jetzt. Bis heute herrscht bei der Telekom Kleinstaaterei. Ricke wacht über die drei nur lose miteinander verbundenen Fürstentümer T-Com (Festnetz), T-Mobile (Handy) und T-Systems (Geschäftskunden). Ihnen stehen Spartenchefs vor, die stets peinlichst auf ihre Unabhängigkeit bedacht sind. Während Konkurrenten wie Arcor oder Hansenet der Telekom mit cleveren Kombiangeboten millionenfach Kunden ausspannen, regieren Rickes Vasallen weitgehend voneinander isoliert vor sich hin.
(K)eine Chance
Dem Telekom-Chef ist es bisher nicht gelungen, seine Vorstände zur Zusammenarbeit zu zwingen. Mit verheerenden Folgen: So dürfen etwa Handy-Häuptling René Obermann und Festnetz-Fürst Walter Raizner Kombigeräte aus Mobil- und Festnetztelefon auf den Markt bringen - und zwar jeder sein eigenes.
Zwei der drei Sparten, T-Com und T-Systems, gelten als angeschlagen. Und weil auch dem Handygeschäft nach etlichen Boomjahren die Puste ausgeht, wird Ricke nach Einschätzung von Analysten seine Ergebnisprognose für 2007 nach unten korrigieren müssen. Dabei hatte er Investoren wegen stagnierender Gewinne im laufenden "Jahr der Investments" ein sattes Plus im kommenden versprochen.
Sollte Ricke auch seine Ziele für 2006 nicht einhalten können und die Aktie weiter nachgeben, scheint alles möglich: Ein ausländischer Telekomriese könnte bei den Bonnern einsteigen. Die Börse könnte den Kopf des Vorstandschefs fordern, dessen Vertragsverlängerung im Spätherbst ansteht. Deutschland habe "alle Chancen", es müsse sie nur nutzen, schreibt Ricke in seinem Essay. Die Frage ist, ob er seine Chance nicht schon verspielt hat.