Kreditkrise Finanzkrise bedroht Bundeshaushalt

Angesichts der ausufernden Finanzkrise macht sich die große Koalition Sorgen um die Sanierung des Haushalts. Es drohen dem Vernehmen nach Ausfälle in Milliardenhöhe. Finanzexperten fordern unterdessen mehr Transparenz und Kontrolle im Finanzsektor.

Der CDU-Finanzexperte Michael Meister schließt Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf den Bundeshaushalt nicht aus. "Ich mache mir schon Sorgen um den Bundeshaushalt", sagte Meister am Mittwochmorgen in der "ARD". "Wir haben das ehrgeizige Ziel, bis 2011 den Bundeshaushalt auszugleichen. Das ist eine große Anstrengung." Er unterstütze daher Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der seine Ressortkollegen gebeten habe, ihre Wunschlisten für 2009 zu überdenken.

Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge drohen wegen der Finanzkrise im Bundeshaushalt 2008 Mindereinnahmen in Milliardenhöhe. Nach ersten Berechnungen für die Steuerschätzung im Mai würden die Einnahmen des Staates im laufenden Jahr etwa vier Milliarden Euro unter den bisherigen Erwartungen bleiben. Für 2009 sehe es ähnlich aus, sogar eher noch schlechter.

"Wenn das so weitergeht, können wir den Haushalt nicht ausgleichen", hieß es zudem aus Koalitionskreisen. Wenn sich die Wirtschaftslage noch weiter verschlechtere, sei ein Abbau der Neuverschuldung so nur schwer möglich.

Angesichts der unsicheren Haushaltslage sucht Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nach zusätzlichen Finanzierungsquellen. Als wahrscheinlich gilt, dass Steinbrück dafür den Etat der Bundesagentur für Arbeit beschneidet.

"Es muss mehr Transparenz geschaffen werden"

Ein Eingreifen der Politik in die Finanzkrise lehnte Meister erneut ab. "Was Politik tun kann, haben wir getan", betonte er. Jetzt gehe es darum, dass wieder Vertrauen zwischen den Banken herrsche. Dazu müsse mehr Transparenz geschaffen werden. "Es ist auch notwendig, dass Bankmanager zur rechten Zeit die Verantwortung wahrnehmen und nur die Geschäfte tätigen, die sie auch überblicken können, die sie verstehen. Das ist an mancher Stelle nicht geschehen", sagte Meister. "Ich glaube, wir haben es geschafft, mit den Auswirkungen dieser Krise bisher in Deutschland vernünftig umzugehen und damit gezeigt, dass wir einen stabilen und robusten Finanzplatz haben."

Auch Bundesbank-Präsident Axel Weber dringt auf mehr Transparenz. "Alle Finanzmarktteilnehmer sind aufgefordert, zeitnah über ihre Risiken zu informieren", sagte er in einem Gespräch mit dem "Handelsblatt". Misstrauen sei "nur durch Offenlegung des Wertberichtigungsbedarfs zu beseitigen". Gleichzeitig wies der Bundesbank-Präsident die Forderung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zurück, die Finanzkrise mit einer konzertierten Aktion von Banken, Regierungen und Notenbanken zu bekämpfen. "Bei der Überwachung und Lösung der eigenen Schwierigkeiten sind zunächst einmal die Banken selbst gefordert", sagte der Bundesbankpräsident. Auch aus der Politik wurde Kritik an Ackermann laut. Zudem verstärkten sich Rufe nach mehr Transparenz im Finanzsystem.

Weber richtete seinen Appell für mehr Transparenz nicht nur an die Banken, sondern an alle Finanzmarktakteure - Fonds, Private Equity-Unternehmen und Hedge-Fonds eingeschlossen. Die jüngsten zusätzlichen Verwerfungen resultierten nicht nur aus dem erneuten Wertberichtigungsbedarf von beaufsichtigten Kreditinstituten, die ihre Bilanzen vorlegen müssen, sondern "auch aus Problemen beim Liquiditätszugang von Investmentbanken sowie aus Solvenzproblemen bei einzelnen Private Equity-Unternehmen oder Hedge-Fonds", sagte er.

Erste Schlussfolgerungen aus Turbulenzen

Weber erwartet zum G7-Treffen in Washington am 11. April und zum anschließenden Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erste Berichte vom Forum für Finanzmarktstabilität, dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht und dem IWF zu möglichen Lehren aus der Krise. Er wolle den Sitzungen nicht vorgreifen, aber "wir müssen auf jeden Fall vor dem Sommer erste Schlussfolgerungen aus den Turbulenzen ziehen", sagte er. Nach der Diskussion in Washington werde man sehr zügig an die Umsetzung der Vorschläge gehen. Die Vorschläge der privaten Banken zu einer Selbstregulierung werde man berücksichtigen, aber die Politik und die Aufsicht müssten aktiv werden.

Auch SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler übte Kritik an den Forderungen des Deutsche-Bank-Chefs. Nachdem Banken das Weltfinanzsystem an den Rand des Abgrunds gefahren hätten, riefen sie nun um Hilfe, sagte er zur Forderung Ackermanns. "Es wäre besser gewesen, man wäre unseren Forderungen zu mehr Transparenz früher gefolgt", sagte Stiegler der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Er plädierte dafür, für die Auswirkungen der Finanzkrise Notfallpläne auszuarbeiten. "Wir müssen in den nächsten Wochen überlegen, was wir im Fall eines Falles unternehmen können, um ein Übergreifen der Krise auf die reale Wirtschaft zu verhindern." Es herrsche höchste Alarmstufe. Zugleich übte er Bankenschelte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki forderte in der "Berliner Zeitung": "Die Verschärfung der von den USA ausgehenden Finanzmarktkrise muss Anlass für eine bessere Kontrolle und Regulierung der nationalen und internationalen Finanzmärkte sein." Der DGB erwarte deshalb entsprechende Initiativen der Bundesregierung, der EU und der G-8-Staaten.

DPA · Reuters
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