Die Bundesregierung wappnet sich für eine Insolvenz des Opel-Mutterkonzerns General Motors in den USA. Dies erfuhr die "Financial Times Deutschland" (FTD) aus Regierungskreisen. Demnach arbeitet Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in Abstimmung mit dem Kanzleramt und dem Finanzministerium an einem Krisenplan. Dieser sieht auch "kurzfristige Liquiditätshilfen" für Opel vor, um den Betrieb des Autobauers aufrechtzuerhalten.
Hintergrund der Pläne sind die aktuellen Verhandlungen von GM mit seinen Gläubigern. Die US-Regierung hat beiden Seiten eine Frist bis zum 28. Mai gesetzt. Angesichts der komplizierten Materie und des gigantischen Schuldenbergs von GM gilt eine Einigung innerhalb der verbleibenden drei Wochen als äußerst unwahrscheinlich.
Unklare Auswirkungen
Die Bundesregierung rechnet intern inzwischen fest damit, dass GM Ende Mai, Anfang Juni Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts beantragen muss. Dies habe die US-Regierung zuletzt klar signalisiert, hieß es in Regierungskreisen weiter. Bislang hat Berlin dem Vernehmen nach aber keinen Überblick über die möglichen Auswirkungen einer GM-Insolvenz auf Opel.
Als sicher gilt, dass die Rettung der europäischen Konzerntöchter dadurch erheblich erschwert werde. Allerdings dürften sich auch schnelle Finanzspritzen für Opel schwierig gestalten: Diese darf der Bund insolventen Firmen eigentlich nicht gewähren. "Das Beste, was wir bis Ende Mai realistisch mit GM erreichen können, ist ein Letter of Intent oder ein verbindliches Angebot für Opel", hieß es in Regierungskreisen.
Schnelle Lösung dringend gesucht
Deutsche Insolvenzrechtler halten auch unter diesen Umständen einen Verkauf des Europageschäfts, etwa an den italienischen Autobauer Fiat oder den kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna, für möglich. Es erfordere womöglich mehr Zeit durch die nötige Zustimmung der Gläubiger sowie die des Gerichts, sagte ein Jurist. Ein Banker warnte, das Risiko bestehe, dass Opel nicht mehr genügend Finanzmittel vom Mutterkonzern erhalte, wenn dieser im Chapter-11-Verfahren sei. Daher sei eine schnelle Lösung für Opel sinnvoll.
Fiat hat sich jüngst mit einem neuen Konzept für die Fusion seines Autogeschäfts mit GM Europe und Chrysler in Stellung gebracht. Magna arbeitet noch an einem detaillierten Plan. Fiats neues Konzept mit dem Namen "Project Phoenix" umfasst weit weniger Werksschließungen als die derzeit in der Branche diskutierten des früheren Planes "Project Football".
Nach dem veralteten Entwurf habe Fiat zehn Werke, darunter acht bei GM Europe, schließen wollen. Der neue Plan erscheint weniger drastisch. "Es gibt zwei kleine Werksschließungen, einmal in England und in Polen", sagte Unternehmensberater Roland Berger, der im Verwaltungsrat des Opel-Interessenten Fiat sitzt und in die Gespräche involviert ist, zu Fiats Plänen. Der GM-Fabrik im britischen Luton drohe das Aus, wie auch der Fabrik im polnischen Tychy, erfuhr die "FTD". Nach dem neuen Plan solle auch die Autoteilefabrik in Kaiserslautern erhalten bleiben. "Es gibt keine Werksschließung in Kaiserslautern", betonte Berger. Fiat gab keinen Kommentar.
Fiat will Staatsbürgschaften
Wie Berger sagte, plane Fiat, den neuen Bund aus Fiats Autosparte, GM Europe und den Chrysler-Anteil innerhalb von drei Jahren an die Börse zu bringen. Fiat-Chef Sergio Marchionne sei in der Lage, bald eine Grundsatzeinigung zu schließen. "Ich weiß aus Gesprächen mit Herrn Marchionne, dass er sich zutraut, noch im Mai die wesentlichen Dinge geregelt zu haben", so Berger.
GM muss dem Konzept zustimmen. Zudem will Fiat Staatsbürgschaften. Nach "FTD"-Informationen bräuchte Fiats neuer Autobund Kredite von rund 6,4 Milliarden Euro. Die Pensionsverpflichtungen Opels beliefen sich auf 4,4 Milliarden Euro, weitere Schulden auf zwei Milliarden Euro. Komme GM in Chapter 11, "gerät GM Europe sicher in Liquiditätsschwierigkeiten", warnte Berger.