Steigende Preise sind ohnehin schon seit Monaten ein großes Thema. Nun herrscht auch noch Krieg in Europa und der Aggressor ist Deutschlands wichtigster Energielieferant. Während Putins Panzer die Ukraine angreifen, haben Deutschland und die westlichen Verbündeten harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Die Folgen werden auch hierzulande zu spüren sein.
Selbst wenn die Lage nicht bis zu einem Liefer- oder Einfuhrstopp für Gas eskalieren sollte, gehen Experten davon aus, dass das Leben in den kommenden Monaten teurer wird. "Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine drohen die Kosten für Gas und Öl weiter zu steigen und damit viele weitere Preise für die Verbraucher", sagt Timo Wollmershäuser, leitender Konjunkturforscher am Münchner ifo-Institut.
Von den 7000 Unternehmen, die die ifo-Forscher im Februar befragten, planen 47 Prozent die Preise zu erhöhen – wobei diejenigen, die Preise senken wollen, schon abgezogen sind. Das ist ein neuer Höchstwert für das jeden Monat erhobene Barometer, auch wenn die Preiserwartungen bereits seit November ähnlich hoch sind.
Die ifo-Ökonomen befürchten nun, dass die Inflationsrate für das Gesamtjahr 2022 auf über fünf Prozent steigen könnte. Die Kollegen vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln prognostizieren sogar eine Inflation von mehr als sechs Prozent für den Fall, dass die Gaspreise gegenüber 2021 nochmal um 50 Prozent steigen.
Vor allem bei diesen Punkten müssen Verbraucher sich auf höhere Preise einstellen:
Heizen wird teurer
Von der Energiekrise unmittelbar betroffen sind Verbraucher, die mit Gas und Öl heizen. Die fossilen Brennstoffe haben sich bereits im letzten Jahr in Folge einer hohen weltweiten Nachfrage enorm verteuert. Dazu kommt, dass die russische Gazprom – wohl aus politischem Kalkül – weit weniger Gas nach Deutschland lieferte als sonst, sodass die Speicher schon zu Beginn der Heizperiode schlecht gefüllt waren.
Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine sorgt nun für den nächsten Preisschock: Seit Dienstag sind die Preise an der europäischen Gasbörse nochmal um 70 Prozent gestiegen, berichtet das Vergleichsportal Check24. Auch der Preis für Rohöl erreichte den höchsten Wert seit 2014, Heizöl stieg auf ein Allzeithoch.
Die höheren Einkaufspreise werden viele Gasversorger wohl mit etwas Verzögerung an die Kunden weitergeben. "Verbraucher*innen haben diesen Winter eine bislang einzigartige Welle an Gaspreiserhöhungen erlebt", sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24. "Mit der Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts sind auch weitere Preissteigerungen möglich."
Rein technisch gibt es zwar auch abseits der Pipelines durch die Ukraine genug Pipeline-Kapazitäten, um die erforderlichen Mengen Gas zu transportieren (unter anderem Nord Stream 1 durch die Ostsee). Doch die Frage eines politischen Boykotts steht im Raum. Immerhin hat die Bundesregierung betont, dass selbst im Falle eine russischen Gas-Lieferstopps die Versorgung bis zum Endes Winters gesichert sei. Dafür soll auch Flüssiggas (LNG) vor allem aus den USA sorgen, dass nun kurzfristig eingekauft wird. Allerdings ist auch LNG knapp und teuer – der nächste Winter dürfte daher nicht günstiger werden.
Tanken wird teurer
Der Ölpreis stieg nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erstmals seit 2014 auf mehr als 100 Dollar für ein Fass der Nordseesorte Brent. Das macht auch Benzin an den Tankstellen teurer. Der Durchschnittspreis für den Liter E10 stieg laut dem Vergleichsportal Clever-tanken am Donnerstagmorgen zeitweilig auf ein Allzeithoch von 1,80 Euro, im Tagesschnitt lag er bei 1,76 Euro. Vor einem Jahr hatte der Liter noch 1,40 Euro gekostet.
Der ADAC befürchtet, dass es zu weiteren Preisrekorden bei Benzin und Diesel kommt. Ein Benzinpreis von 2 Euro im bundesweiten Tagesdurchschnitt sei aber "in absehbarer Zeit nicht zu erwarten", sagte ADAC-Experte Jürgen Albrecht der DPA. "Dafür müsste der Ölpreis in ganz andere Größenordnungen vordringen, als er das zuletzt getan hat."
Auch beim Öl ist Russland der Hauptlieferant für Deutschland, wenn auch die Abhängigkeit etwas geringer ist. Etwa ein Drittel des importierten Öls stammt aus Putins Reich, beim Gas ist es mehr als die Hälfte. Um Autofahrer zu entlasten, hat die Bundesregierung in dieser Woche eine Erhöhung der Pendlerpauschale beschlossen. Fernpendler können rückwirkend zum 1. Januar 2022 ab dem 21. Entfernungskilometer 38 Cent in der Steuererklärung ansetzen.
Nahrungsmittel werden teurer
Auch der Trend zu höheren Nahrungsmittelpreisen könnte sich verstärken. Bereits Ende letzten Jahres waren manche Lebensmittel wie Gemüse deutlich teurer geworden. Im Januar waren Nahrungsmittel insgesamt laut Statistischem Bundesamt im Schnitt 8,4 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Einzelne Produkte wie Butter (plus 61,1 Prozent), pflanzliche Öle (plus 58,5 Prozent) und Kaffee (plus 14,7 Prozent) kosteten sogar deutlich mehr.
Der Krieg in der Ukraine könnte nun einige Agrargüter massiv verteuern, denn das Land ist ein wichtiger Exporteur vor allem von Weizen. Zusammen mit Russland kommt die Ukraine laut Handelsblatt beim Weizen auf einen Weltmarktanteil von fast 30 Prozent, beim Mais sind es 20 Prozent. Zudem sind die Ukraine und Russland mit Abstand die beiden größten Sonnenblumenölproduzenten der Welt. Dabei sind die Speiseöl-Regale in vielen Supermärkten aufgrund schlechter Ernten und Corona-Folgen aktuell sowieso schon lückenhaft besetzt, wie die Lebensmittelzeitung berichtet. Die Versorgungssicherheit sehen Experten hier aber nicht gefährdet.
Auch beim Weizen bedroht die Situation nicht die Versorgung, denn im Unterschied zum Gas versorgt sich Deutschland vor allem aus eigener Produktion sowie durch Importe aus anderen EU-Ländern. Teurer könnten viele Produkte im Supermarkt dennoch werden, denn auch die Hersteller leiden unter den hohen Energiepreisen. Die Landwirtschaft ächzt zudem unter stark gestiegene Preisen für Düngemittel, für das Russland den wichtigen Rohstoff Ammoniumnitrat liefert.

Energiepreise treiben alles
Unterm Strich ist die direkte Verflechtung der deutschen und der russischen Wirtschaft abseits des Energiesektors nicht besonders groß. Die steigenden Energiepreise belasten aber eben Unternehmen aus allen möglichen Branchen und führen neben coronabedingten Logistikproblemen und Lieferengpässen zu Preiserhöhungen für Konsumenten. Laut der aktuellen ifo-Umfrage wollen 63 Prozent der Einzelhändler in den kommenden drei Monaten die Preise anheben, unter den Lebensmittelhändlern sind es sogar 86 Prozent.
Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sieht in hohen Energiepreisen oder gar ausbleibenden Lieferungen ein grundsätzliches Problem, das kurzfristig zu Preiserhöhungen führt. "Dieses Problem überstrahlt alle anderen ökonomischen Fragen", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm der DPA Für die kommenden Monate erwarte er "einen enormen Preisdruck, der uns alle treffen wird, aber keine echte Versorgungskrise".