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Energie als Waffe Was passiert, wenn Putin Deutschland den Gashahn zudreht?

Ein Gazprom-Mitarbeiter in Slavyanskaya, dem Start-Punkt von Nordstream2
Ein Gazprom-Mitarbeiter in Slavyanskaya, dem Start-Punkt von Nordstream2
© Peter Kovalev/ / Picture Alliance
Die Ukrainekrise eskaliert – dreht Russland dem Westen jetzt mitten im Winter den Gashahn zu? Die Folgen wären vor allem für Deutschland äußerst schmerzhaft.

Wladimir Putin schickt Soldaten in die Ukraine, der Westen reagiert mit Sanktionen. Die Bundesregierung etwa stoppt bis auf Weiteres die Zertifizierung und Inbetriebnahme der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2. Drosselt Putin nun seinerseits die Gaslieferungen nach Deutschland oder dreht er den Hahn nach Westen gar ganz zu?

Auf einem Forum erdgasexportierender Länder betonte Putin am Dienstag, Russland plane die "ununterbrochene Versorgung der Weltmärkte mit diesem Rohstoff", wie es in einem vom Kreml verbreiteten Statement heißt. Aber Putin kann es sich natürlich jederzeit anders überlegen, sofern er bereit ist, bestehende Verträge zu ignorieren und auf die Einnahmen aus dem lukrativen Gasgeschäft zu verzichten. Klar ist: Sollte er sich entscheiden, den Gashahn zuzudrehen, würde das Deutschland hart treffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten. 

Wie wichtig ist russisches Gas für Deutschland?

Sehr wichtig und zwar nicht nur für Unternehmen. 20 Millionen deutsche Haushalte heizen mit Gas, zudem trägt es rund zehn Prozent zur Stromerzeugung bei. Russland ist auch ohne die Ostseepipeline Nord Stream 2 mit Abstand der wichtigste Gaslieferant Deutschlands. 55 Prozent des Erdgases, das Deutschland 2021 importiert hat, stammte aus Russland. Rund 30 Prozent kamen aus Norwegen und 13 Prozent aus den Niederlanden.

Dabei hat Russland im vergangenen Jahr die Gaslieferungen schon spürbar gedrosselt. Der staatliche russische Gasmonopolist Gazprom lieferte 2021 rund 30 Prozent weniger als in vorherigen Jahren. Wenn Deutschland so viel hätte kaufen können wie gewünscht, wäre der russische Anteil noch höher. Wenn Russland nun noch weniger liefern würde, könnte auch nicht einfach Norwegen mehr liefern, weil die schon am Anschlag produzieren. 

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Wie lange reichen die Vorräte noch?

Die Gasvorräte in Deutschland und anderen europäischen Ländern schwinden seit Monaten. Nach aktuellen Daten des europäischen Gas-Infrastrukturverbandes GIE sind die deutschen Depots derzeit nur noch zu 31 Prozent gefüllt. Das liegt auch daran, dass die Zentrallager vor der aktuellen Heizperiode nur auf rund 70 Prozent aufgefüllt werden konnten. Denn Russland lieferte im vergangenen Jahr zwar die in den Verträgen vereinbarten Mengen, verzichtete aber darauf, wie sonst üblich, weiteres Gas auf dem freien Markt anzubieten.

Die Bundesregierung ist über die Situation besorgt, hält die Gasversorgung aber offenbar nicht für akut gefährdet. Deutschland sei "versorgungssicher", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag. Selbst wenn es zum Äußersten kommen sollte und Russland seine Lieferungen komplett einstellen würde, rechnet die Regierung damit, dass die Vorräte für den Rest der Heizperiode ausreichen, berichtet der Spiegel. Es sei denn, die Kälteperiode halte in diesem Jahr ungewöhnlich lang an.

Für den nächsten Winter will die Bundesregierung besser vorsorgen. Habeck hat angekündigt, eine strategische Gas-Reserve aufbauen zu wollen. Dafür muss er aber erstmal an genug Rohstoff kommen. Auch die EU-Kommission will eine solche Reserve anlegen, denn in vielen anderen EU-Ländern ist das Gas ebenfalls knapp. 

Welche Alternativen zum russischen Gas gibt es?

Langfristig sollen Erneuerbare Energien Gas als Energieträger ersetzen. Doch bis die Kapazitäten von Wind- und Solarkraftanlagen dafür ausreichen, wird es noch Jahre dauern, zumal auch noch der Kohleausstieg ansteht.

Kurzfristig kann Flüssiggas (LNG) helfen, das nicht durch Pipelines gepumpt werden muss, sondern per Schiff aus aller Welt angeliefert werden kann. Da Deutschland bislang keine eigenen Flüssiggasterminals hat, muss dafür auf Anlandestellen in niederländischen oder belgischen Häfen zurückgegriffen werden. Mehr Flüssiggas könnte etwa aus den USA oder Katar kommen.

Allerdings ist der Rohstoff derzeit weltweit gefragt und dementsprechend teuer. Branchenriese Shell warnt in einem aktuellen Marktausblick, dass Flüssiggas aufgrund steigender Nachfrage in den kommenden Jahren zunehmend knapp werden wird. So habe etwa China, das im vergangenen Jahr zum größten Käufer aufstieg, langfristige Verträge über beträchtliche Mengen abgeschlossen. 

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Wird Energie für Verbraucher jetzt noch teurer?

Viele Gaskunden mussten in diesem Winter schon bittere Kröten schlucken. Allein in der Grundversorgung sind laut Check24 rund vier Millionen Haushalte von Preissteigerungen betroffen. Ein Musterhaushalt zahlt demnach im Schnitt fast 900 Euro mehr im Jahr. Die Preise für Heizöl sind sogar noch stärker gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Preise für leichtes Heizöl binnen eines Jahres um 52 Prozent erhöht, die für Erdgas um 32 Prozent. Auch Strom ist teuer wie nie, auch wenn Wirtschaftsminister Habeck gerade an der Abschaffung der EEG-Umlage ab Sommer arbeitet. Zu den Gaspreisen sagte Habeck am Dienstag, diese könnten kurzfristig weiter steigen.

Quellen: DPA / Spiegel / Shell / Check24 / Gas Infrastructure Europe / Destatis

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