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Rettungsfonds Soffin Staat heuerte HRE-Manager an

Die Fast-Pleite der Hypo Real Estate kostet die Bürger Milliarden, Politiker wollen die Haftbarkeit der Ex-Vorstände prüfen. Umso seltsamer mutet es an, dass der staatliche Rettungsfonds Soffin einen HRE-Manager anstellte und mit dem Thema Bankenrettung befasste. Zudem vergab der Fonds einen lukrativen Auftrag ohne Ausschreibung an eine PR-Agentur.
Von Hans-Martin Tillack

Jörg Asmussen gilt als dynamisch, entscheidungsfreudig und unkompliziert. Ohne den Staatssekretär von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) geht in diesen Tagen kaum etwas in Berlin. Egal, ob Bankenkrise oder Opel-Rettung - Asmussen ist einer der Macher im Hintergrund. Doch jetzt liefen zwei Vorgänge über seinen Schreibtisch, bei denen sich kritische Fragen aufdrängen. Das legen jedenfalls brisante interne Unterlagen nahe, die stern.de vorliegen.

Beide Fälle betreffen die milliardenteure Rettung der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) in München. Und bei beiden ging es um Jobs, die der von Asmussen mit beaufsichtigte staatliche Rettungsfonds Soffin in Frankfurt vergab.

HRE-Manager wird zum Bankenretter

Zum Beispiel an Thomas von Lüpke. Der Mann war noch von November 2008 bis Februar 2009 so genannter Managing Director bei niemand anderem als der Pleitebank HRE. Als Gruppenchef verantwortete er zeitweise auch das Management von Anlagen und Verbindlichkeiten.

Dass man bei der Bank Lüpkes Rat zu schätzen wusste, ist verständlich. Im Januar 2008, kurz nach einer ersten Krisenmeldung aus der Münchner Bank, hatte von Lüpke - damals noch für die Ratingagentur Fitch - die Solidität der HRE gelobt: "Die Kapitaldecke ist adäquat, die Risiken dürften jetzt gut abgedeckt sein."

Das war etwas zu optimistisch. Inzwischen mussten der Soffin und private Banken das Münchner Institut mit Garantien über 102 Milliarden Euro stützen. Doch seit April 2009 ist von Lüpke nun beim staatlichen Frankfurter Fonds ausgerechnet für die Bankenrettung, also auch für die HRE, zuständig - als Referatsleiter für "Stabilisierungsmaßnahmen und Beteiligungscontrolling". Das leuchtete nicht einmal dem zuständigen Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium ein. Er setzte am 7. April einen Brandbrief an den Soffin ab: Da von Lüpke bei der HRE eine "interne Funktion" ausgefüllt habe, bestünden "ernsthafte Interessenkonflikte mit seiner vorgesehenen Tätigkeit".

Persilschein für die HRE

Inzwischen geben Finanzministerium und Soffin Entwarnung. Die Zuständigkeit für die HRE habe man nicht von Lüpke sondern dem Chef der Rechtsabteilung erteilt - um Interessenkonflikte zu vermeiden. Im Übrigen sei der Ex-Banker, so eine Soffin-Sprecherin, "aufgrund seiner ausgewiesenen Expertise als Bankanalyst und seiner Erfahrung in der Einschätzung der Kapital-, Risiko- und Ertragssituation" der deutschen Banken angeheuert worden.

Nicht einmal die Tatsache, dass von Lüpke trotz seiner Erfahrung der HRE noch im Januar 2008 einen Persilschein ausstellte, spricht aus Sicht des Soffin gegen ihn. Damals, so die Sprecherin, sei der Beinahe-Bankrott der HRE im September 2008 "nicht vorhersehbar" gewesen. Staatssekretär Asmussen wusste spätestens seit dem 17. März von dem geplanten Job für von Lüpke. Der Banker hatte sich per E-Mail auch bei dem Steinbrück-Helfer beworben. Asmussens Büro habe diese Mail jedoch "ohne inhaltliche Vorgaben" an den Soffin weitergeleitet und sich in die Personalentscheidung nicht eingemischt, versichert das Finanzministerium.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum die Soffin eine PR-Agentur engagiert hat und wie die ihre Arbeit rechtfertigt.

Warum braucht die Soffin eine PR-Agentur?

Der Staatssekretär war auch im Bild, als der Soffin ungefähr zeitgleich einen lukrativen Auftrag an das Frankfurter Büro der Kommunikationsagentur Brunswick Group vergab. Das wird von dem ehemaligen Handelsblatt-Chefredakteur Thomas Knipp geleitet und berät den Soffin, aber anscheinend auch Asmussen seit April in Sachen HRE.

Knipp soll mit seinen Kollegen britische und amerikanische Medien, aber auch deutsche Journalisten davon überzeugen, dass die Verstaatlichung der HRE notwendig und richtig ist. Die Brunswick-Leute entwerfen Pressemitteilungen, werten Zeitungsberichte aus und führen Hintergrundgespräche mit Journalisten. All dies, obwohl der Soffin bereits eine aus Steuermitteln finanzierte Pressestelle unterhält. Doch dort hätten die notwendigen "Strukturen und Kapazitäten" gefehlt, behauptet die Fondssprecherin.

Pro Monat verlangte Brunswick als Entlohnung des "Krisenkommunikationsmandates" ein "Basishonorar" von netto 50.000 bis 75.000 Euro - plus Spesen. So stand es in einem "persönlich/vertraulich" gekennzeichneten Brief der Beraterfirma an Soffin-Chef Hannes Rehm vom 9. März, der stern.de vorliegt. Angeblich sahen die am Ende des viermonatigen Vertrages tatsächlich vereinbarten Tarife anders aus.

Obwohl bei Dienstleistungsaufträgen ab 133.000 Euro normalerweise eine europaweite Ausschreibung nötig ist, vergab der Soffin den Auftrag freihändig. "Aufgrund des kurzfristigen Handlungsbedarfs" habe man auf die Ausschreibung verzichtet, heißt aus dem Soffin.

"Uns wurde rechtsgutachterlich bestätigt", so die Sprecherin des Fonds, "dass der Soffin von Rechts wegen keinen formellen Vergabeanforderungen unterliegt." Der Vergaberechtler Andreas Haak von der Anwaltskanzlei Taylor Wessing ist da skeptisch. Als Bundesbehörde unterliege der Soffin dem Vergaberecht. Es gebe zwar Ausnahmebestimmungen, etwa bei Dringlichkeit. Aber die würden von den Gerichten "sehr restriktiv gehandhabt".

Der FDP-Abgeordnete Volker Wissing, der Mitglied des HRE-Untersuchungsausschusses des Bundestages ist, will jetzt mehr über die Hintergründe dieser Entscheidungen wissen. "Das muss schnellstmöglich aufgeklärt werden", sagte er stern.de.

Asmussen war informiert

Auch im Fall Brunswick war Asmussen beteiligt. Er kennt den Deutschland-Chef der Agentur seit längerem. Und es war das Finanzministerium, das gegenüber dem Soffin auf die Beauftragung einer PR-Agentur gedrängt hatte. Man habe "angeregt, zu prüfen", ob "externe Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll sein kann", bestätigt ein Sprecher von Finanzminister Steinbrück. "Die konkrete Auswahl" der Firma und die Auftragserteilung sei jedoch die Verantwortung des Soffin gewesen.

Sicher ist, dass Knipp und Kollegen auch Asmussen mit Ratschlägen versorgten. Am 16. März traf sich Brunswick-Berater Knipp mit dem Staatssekretär, um mit ihm über die "internationale Kommunikation" der HRE-Verstaatlichung zu sprechen. Und per Mail bot eine Beraterin drei Tage später Asmussen sogar an, "aus Kommunikationsgesichtspunkten" einen Brief zu "prüfen", den der Spitzenbeamte in dieser Sache eventuell an die Regierungen in London und Washington schreiben wollte. Brunswick-Chef Knipp bestätigte den Mailverkehr, betonte jedoch, man habe "nicht Herrn Asmussen beraten", sondern lediglich sichergestellt, dass das Vorgehen von Soffin und Finanzministerium abgestimmt war.

Aber seit wann brauchen Bundesbehörden private Berater, um sich intern zu koordinieren? In einer "Advice Note" für den Staatssekretär vom 19.März ("streng vertraulich und persönlich"), die stern.de vorliegt, wecken die Brunswick-Leute sogar selbst - wohl unbeabsichtigt - Zweifel, ob für sie überhaupt viel zu tun war. Der amerikanische HRE-Minderheitsaktionär Christopher Flowers, so die Note der Berater, habe mit seinem Plädoyer gegen die Verstaatlichung auf einer Bundestagsanhörung Mitte März "weder die Bundestagsabgeordneten noch die anwesenden Journalisten" überzeugen können, dass "er als großer Minderheitenaktionär der HRE substantiell helfen könne".

Warum also teure Spindoktoren einschalten? Briten und US-Amerikaner - die selbst eigene Banken verstaatlicht hatten - dürften ohnehin gegen das Vorgehen der Bundesregierung "keine Einwände" haben, schrieben die Berater weiter. Dennoch sei "nicht auszuschließen", dass Flowers im Ausland versuche, "die Lage unvorteilhaft dazustellen und damit dem Finanzplatz Deutschland Schaden zufügen könnte". Um einer "möglichen negativen Berichterstattung vorzubeugen" empfehle man daher Gespräche mit Korrespondenten von Blättern wie "Financial Times" oder "Wall Street Journal" zu führen.

Eilfertig fügten die Brunswick-Leute die Kontaktdaten der Journalisten gleich bei. Aber hätten die nicht auch in Finanzministerium oder Soffin vorrätig sein müssen? Knipps Antwort: Die Korrespondentenliste sei "eine routinemäßige Leistung" gewesen. So etwas gehöre "zum Standard unserer Dienstleistungen".

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