Société Générale Wie man fünf Milliarden verzockt

Ein einzelner Händler soll die französische Großbank Société Générale um fast fünf Milliarden Euro geprellt haben. Wie jedoch schaffte es Jérôme Kerviel, diese Summe unbemerkt zu verzocken? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum größten Einzelbetrug der Finanzwelt.

Der Milliarden-Betrug bei der französischen Großbank Société Générale wird nach den Worten von Präsident Nicolas Sarkozy keine Auswirkungen auf das französische Finanzsystem haben. Der Fall "wird die Stabilität und Verlässlichkeit des französischen Finanzsystems nicht beeinflussen", sagte Sarkozy am Freitag bei einem Besuch in der indischen Hauptstadt Neu Delhi.

Der Präsident sprach von einem "großangelegten internen Betrug" an der Société Générale. Der Aktienhändler Jérôme Kerviel hatte dem privaten Finanzinstitut mit betrügerischen Scheingeschäften und Spekulationen einen Verlust von fast fünf Milliarden Euro beschert.

Zudem werden Zweifel laut, dass nur eine einzige Person das zweitgrößte Geldinstitut Frankreichs in eine Krise gestürzt habe. "Dieser Händler scheint mir nur ein Sündenbock zu sein", sagte Alain Crouzat, Präsident der Wertpapiergesellschaft Montségur Finance in der Freitagausgabe des "Le Parisien".

Wie jedoch konnte es zu so einem Betrug kommen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem größten Einzelbetrug in der Finanzwelt.

Wie und wann begann der Betrug?

2007 begann der Société-Générale-Händler Jérôme Kerviel (31) mit hohen Einsätzen auf dem europäischen Markt für Termingeschäfte (Futures). Insgesamt setzte er rund 50 Milliarden Euro aufs Spiel, was den gesamten Börsenwert der Bank weit überstieg. Wenn er Verluste machte, versteckte er diese durch Manipulationen im Computersystem der Bank.

Wie ging Jérôme Kerviel vor?

Im Grunde war Kerviel sein eigener Kontrolleur. Aus seiner Zeit in der Abteilung für Risikomanagement, das die Transaktionen der Bank überwacht, kannte er das System exakt. Er wusste, wann kontrolliert wurde, und verwischte seine Fährten durch ein ausgefeiltes System von Scheintransaktionen. Zudem nutzte er sein Wissen über hochkomplizierte Finanzinstrumente.

Wie wurde der Betrug entdeckt?

Anfang Januar wettete Kerviel plötzlich auf steigende Märkte. Als sie einbrachen, wuchsen seine Verluste dramatisch an und er konnte seine Positionen nicht länger kaschieren. Wie reagierte die Bank? Nach der Entdeckung des Betrugs am Samstag musste sie die offenen Positionen von Montag bis zum Mittwoch schließen - der Montag war der Tag mit den größten Börsenverlusten seit dem 11. September 2001. Der Gesamtschaden: 4,9 Milliarden Euro.

Was passiert nun weiter?

Kerviel wurde entlassen, die Bank erstattete Anzeige. Die Société Générale will die Schäden durch eine Kapitalerhöhung von 5,5 Milliarden Euro abfedern. Die US-Banken JPMorgan und Morgan Stanley sind zum Einstieg bereit. Wegen des gesunkenen Börsenwertes (unter 35 Milliarden Euro) ist die Bank aber auch anfälliger für eine Übernahme geworden.

In Paris wird über eine Fusion mit der größten Privatbank BNP Parisbas spekuliert. Ein Risiko für die Kunden besteht wegen der soliden Geschäftsgrundlage nach Bankangaben nicht.

Warum klingt der Fall so bekannt?

Der Broker Nick Leeson trieb die britische Barings Bank 1995 in den Ruin, weil er hinter dem Rücken der Bankchefs an asiatischen Märkten 860 Millionen Pfund (damals rund 1,4 Milliarden Dollar) verzockte. In seinem Fall war es das Erdbeben von Kobe und dessen Auswirkungen auf die Märkte, die sein System zusammenbrechen ließen.

Warum konnte sich ein solches Fiasko wiederholen?

Zwar sind die Kontrollen heute wesentlich ausgefeilter. Aber es wird auch mehr Geld eingesetzt, zugleich sind die Instrumente für den Wertpapierhandel wesentlich komplexer geworden. Der Handel mit Futures ist besonders riskant. Zahlreiche Experten bezweifeln allerdings die Angaben der Bank, Kerviel habe völlig isoliert gehandelt.

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