US-Präsident Barack Obama hat als Lehre aus der Wirtschaftskrise die umfassendste Reform der Finanzmärkte seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren angekündigt. Sein Plan sehe eine lückenlose Aufsicht über den Sektor vor, sagte Obama am Mittwoch in Washington. Ziel sei eine Neuordnung, "wie wir sie seit den Reformen nach der Großen Depression nicht mehr gesehen haben".
Die USA wollen "die Führung im Ruf nach starker, moderner Regulierung und Aufsicht rund um die Welt übernehmen", damit die eigenen Bemühungen international nicht untergraben werden, betonte Obama. Eine stärkere Regierungskontrolle der Finanzsektors wird bei anstehenden internationalen Konferenzen wie dem G8-Treffen in Italien oder den G20-Beratungen im September in Pittsburgh (US-Staat Pennsylvania) eine zentrale Rolle spielen.
Obama suchte zugleich Befürchtungen zu zerstreuen, die Reform störe das freie Spiel der Marktkräfte. Die Rolle der Regierung sei nicht, Märkte zu behindern, "sondern ihre Fähigkeit zu stärken, jene Kreativität und Innovation freizusetzen, um die uns die Welt beneidet", sagte der Präsident. "Wir müssen Regeln schaffen, die Innovation unterstützt, aber zugleich Missbrauch eindämmt." Die Abwesenheit einer funktionierenden Regulierung in vielen Teilen des Systems wie auch für das System als Ganzes "hat uns beinahe in die Katastrophe geführt", kritisierte Obama. Klare Regeln, Transparenz und Fairness unterstützten "noch lebendigere Märkte".
Im Kern strebt die US-Regierung mit der geplanten Reform der Finanzmarktaufsicht eine Verschärfung der staatlichen Überwachung an, die bisherige Lücken schließen und derzeit kaum regulierte Bereiche wie Hedgefonds einschließen soll. Verbraucher sollen besser vor riskanten und betrügerischen Kreditgeschäften geschützt werden. Die Regierung und die Notenbank Fed sollen größere Vollmachten zur Regulierung des Sektors und zum Eingriff im Krisenfall bekommen.
"Das gesamte System hat versagt"
Mit der geplanten Grundüberholung des Regulierungssystems ziehe die Regierung die Lehren aus der gegenwärtigen Krise, sagte Obama: "Das Fehlen von Aufsicht hat systemischen - und systematischen - Missbrauch nach sich gezogen." Er beklagte eine "Kultur der Verantwortungslosigkeit" im Finanzsektor, die Konsumenten wie Großkonzerne zu waghalsigen Finanzrisiken verleitet habe. "Es gab viel zu viele Schulden und bei weitem nicht genug Kapital", sagte Obama. "Es gab ein Versagen des gesamten Systems."
Das US-Finanzministerium stellte die Vorschläge in einem 89-seitigen Weißbuch vor. Demnach sollen Finanzunternehmen, die ein potenzielles Systemrisiko für die Branche darstellen, einer verschärften Aufsicht und Regulierung unterworfen werden. Die Zuständigkeit soll bei der Fed liegen, der ein neu zu schaffender "Rat für Finanzaufsicht" zu Seite gestellt wird. Für die betroffenen Unternehmen müssten "strengere und konservativere Standards" bezüglich Kapitalausstattung, Liquidität und Risikomanagement gelten, heißt es in dem Weißbuch.
Die neue Finanzaufsicht soll sich auch auf bislang in den USA kaum regulierte Bereiche erstrecken - etwa auf Hedgefonds, auf Kreditderivate und andere Wertpapiere, die maßgeblich zur derzeitigen Krise beitrugen. Die Regeln für den Verkauf solcher Papiere an Anleger ohne Fachkenntnisse sollen verschärft werden. Eine neue Behörde (Consumer Federal Protection Agency - CFPA) soll sich um besseren Verbraucherschutz im Finanzsektor kümmern.
Die geplanten Reformen laufen auf einen klaren Kompetenzzuwachs für die US-Regierung hinaus. Die Neuregelungen sollten "die Regierung mit Instrumenten ausstatten, um Finanzkrisen zu bewältigen", heißt es im Weißbuch.
Der Großteil der Vorschläge erfordert die Zustimmung des Kongresses, wo erhebliche Vorbehalte gegen zusätzliche Vollmachten für die Washingtoner Regierung herrschen. Das Weiße Haus geht dennoch davon aus, dass die Reform bis Ende des Jahres in Kraft treten kann.