Wettlauf um Bodenschätze Im Schneckentempo nach Afrika

Von Marina Zapf
Wenn Bundeskanzlerin Merkel von Afrika spricht, kaufen ihr mittlerweile selbst frühere Skeptiker wie der Aktivist Bob Geldof ab, dass der Kontinent ihr am Herzen liegt. Aber die Kanzlerin will Deutschland dort auch als Führungsmacht positionieren - es ist der Beginn einer Aufholjagd.

Afrika ist "mehr als ein einmaliges Thema" beim deutschen G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm, versichert ein Regierungsmitglied. Der Wunsch der Industrienationen nach "Partnerschaft" sei ernst gemeint und von Dauer. Der Wettlauf um Afrika ist in vollem Gange. Der Anstieg der Rohstoffpreise und der Energiehunger des Westens haben den einstigen "verlorenen Kontinent" zum begehrten Lieferanten gemacht.

Deutschland hat es dabei bisher versäumt, sich in Stellung zu bringen. Der Anteil Afrikas an Außenhandel und Auslandsinvestitionen liegt seit Langem konstant unter zwei Prozent - niedriger als bei den Ex-Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien. Fast 80 Prozent des deutschen Wirtschaftsengagements entfallen auf nur zwei Länder - Südafrika und Nigeria.

"Für aggressive Interessenpolitik gibt es weder Anlass noch Interesse", sagt dennoch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. "Es geht um Partnerschaft, und das wird sich in letzter Konsequenz auch in Afrika als Linie durchsetzen." Deutschland setzt auf die Förderung von Werten: Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft - kurz: gute Regierungsführung.

Handel mit Afrika: Anstieg auf niedrigem Niveau

Bei anderen Mächten wie China nimmt Afrika schon länger einen strategischen Stellenwert ein. Zwar stehen 800 chinesischen Unternehmern in Afrika fast ebenso viele deutsche gegenüber, so ein Mitarbeiter des "Afrika-Vereins". Doch fahren Chinesen weit stärkere Geschütze auf: In der Regel öffnen großzügige, zinsvergünstigte Kredite der Exim-Bank die politischen Türen, durch die chinesische Firmen dann große Infrastrukturaufträge heraustragen. Komplettlösungen von der Finanzierung über den Bau bis zur Schulung von Personal kosten oft einen Bruchteil dessen, was ein europäisches Unternehmen berechnen würde, berichten Experten. Parallel steigt das Handelsvolumen der beiden Blöcke stark und stetig.

Gezielt setzt Peking die Scheckbuchdiplomatie da ein, wo die chinesische Wirtschaft sich im globalen Wettlauf um knapper werdende Bodenschätze gern bedienen möchte. "Mit Stand 2006 erreichten bestehende Darlehen und Kredite schätzungsweise 19 Millarden US-Dollar", heißt es im Entwurf eines OECD-Afrika-Berichts für 2008. "Allerdings konzentriert China seine Hilfe auf eine kleine Zahl Öl und Mineralien exportierender Länder."

Zwar hat Afrika kein Monopol an strategischen Rohstoffen, "das ein besonderes ökonomisches Abhängigkeitsverhältnis Deutschlands definieren würde", sagt Ulrich Golaszinski, Afrika-Experte der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dennoch dürfe die Erdölpolitik auf dem Kontinent nicht den USA und China überlassen werden. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werde der Anteil Afrikas und der Staaten am Golf von Guinea an der globalen Produktion von Erdöl und -gas auf 20 Prozent steigen. US-Unternehmen investieren dort zweistellige Milliardensummen.

Rohstoffsicherung hat höchste Priorität

Moderne Technologien machen die Gewinnung mineralischer Bodenschätze Afrikas attraktiver denn je. Schon heute werden mehr als 60 Metalle und Nebenprodukte produziert - neben Gold und Platin vor allem Uran, Diamanten, Chrom, Bauxit und Kobalt. Nach Schätzungen liegen in Afrika 30 Prozent aller mineralischen Vorkommen und 90 Prozent der Weltreserven von Platin. Die Entwicklung der Ressourcen, "die Europa braucht", ist der Kanzlerin - die gerne davon spricht, Afrika "bei seinem wirtschaftlichen Aufbruch zu begleiten" - durchaus ein Anliegen. "Politische Initiativen und Rohstoffgewinnung hängen zusammen", sagte sie beim BDI-Rohstoffkongress. Im "weltweiten Wettlauf" um Rohstoffe "müssen wir uns darum kümmern, handels- und wettbewerbsverzerrende Elemente im Verhalten bestimmter Länder zu minimieren", mahnte sie.

Bei der Unterstützung von Entwicklungsländern, ihre Ressourcen nachhaltig und transparent zu erkunden, "hat Europa aber manchmal ein Tempoproblem", räumte Merkel ein. "Die Chinesen und andere agieren nämlich sehr schnell und sehr zielstrebig." Dass Deutschland in der Rohstoffsicherung Chancen verpasst, meint auch Robert Kappel vom Giga Institut für Afrika-Studien: "In der Zeit der Ölkrise gab es eine Rohstoffsicherungspolitik", sagte er.

Der Textilunternehmer und Afrikakenner Claas Daun stimmt zu: "In Afrika werden die Karten neu gemischt. Da sind wir nicht so flott. Es ist möglich, dass die Chinesen uns den Rang ablaufen." Immerhin will der Bund bis 2011 zehn neue Wirtschaftsvertretungen in Afrika aufmachen, darunter in Angola und Tansania. Dabei, so wird versichert, steht die Rohstoffsicherung an vorderer Stelle.

FTD