Kurz vor dem Start der neuen Dosenpfandregelung hat Umweltminister Jürgen Trittin in Brüssel versucht, ein EU-Verfahren dagegen abzuwenden. Die Bundesregierung könne nicht erkennen, dass das System ausländische Anbieter diskriminiere und damit den Wettbewerb verzerre, erklärte Trittin vor seinem Treffen mit EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein.
Mittwoch Start der bundesweiten Rücknahme
Ab Mittwoch soll die Verpackungsverordnung in Deutschland ohne Einschränkung gelten. Von diesem Stichtag an müssen die Läden auch Verpackungen zurücknehmen, die nicht bei ihnen gekauft wurden. Die EU-Kommission hatte die Bundesregierung schon vor Monaten aufgefordert, bis zum 1. Oktober ein landesweit einheitliches Rücknahmesystem aufzubauen. Andernfalls will sie gegen Deutschland ein Verfahren einleiten.
Trittin: Niemand wird benachteiligt
Trittin vertritt die Ansicht, die Bedingungen der EU-Kommission seien trotz verschiedener Ausnahmeregelungen erfüllt. Einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren, das die Brüsseler Behörde am Mittwoch einleiten könnte, sieht er gelassen entgegen. Die vorliegenden Daten zeigten, dass niemand bei dem Rücknahmesystem benachteiligt werde, sagte der Grünen-Politiker in Brüssel. Ohnehin wäre es ratsam abzuwarten, wie sich das System in der Praxis bewähre.
Lekkerland ruft Bundeskartellamt an
Aber auch in Deutschland droht dem Umweltminister neuer Ärger. Nach Angaben des Bundeskartellamtes reichte Trittins bisheriger Partner Lekkerland-Tobaccoland Beschwerde gegen das auf Pfandmarken gestützte Rücknahmesystem der Firma VfW AG ein. Hintergrund ist die Entscheidung von Bund und Ländern, nach dem 1. Oktober doch noch Rücknahmesysteme mit Pfandcoupons zu akzeptieren. Das Umweltministerium hatte dies zunächst abgelehnt. Die Spitze des Unternehmens Lekkerland-Tobaccoland, das ein System ohne zusätzlichen Beleg organisiert hatte, wirft Trittin daher Wortbruch vor.
Handel streicht 375 Millionen Pfandgewinn ein
Dem Einzelhandel hat das Wirrwarr beim Dosenpfand nach Berechnungen der Verbraucherzentralen seit Jahresbeginn mindestens 375 Millionen Euro Pfandgewinne beschert. "Wir rechnen damit, dass in der neunmonatigen Übergangsphase 25 Prozent der pfandpflichtigen Einwegverpackungen nicht zurückgegeben wurden", sagte Edda Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Bundesfinanzminister Hans Eichel habe daran - über die abgeführte Mehrwertsteuer - fast 52 Millionen Euro verdient.
Verbraucherschützer wollen Handel beobachten
Zum Start des bundesweiten Rücknahmesystems riefen die Verbraucherschützer alle Kunden auf, sofort die Behörden einzuschalten, falls Geschäfte die Annahme pfandpflichtiger Einwegverpackungen verweigern. "Die Abzocke muss endlich ein Ende haben", verlangte Müller. Der Bundesverband kündigte an, die Läden vom 1. Oktober an stichprobenartig zu überprüfen und bei Verstößen abzumahnen. Für die Verbraucher wurde ein Beschwerde-Musterbrief erarbeitet, mit dem man sich an die zuständigen Behörden wenden kann. Diese können bei Verstößen bis zu 50.000 Euro Ordnungsgeld verhängen. Das Formular ist über das Internet abrufbar.