Im August dieses Jahres prangt der Papst in Soutane und mit Urinfleck auf dem Titelbild eines Satire-Magazins - der Vatikan klagt nicht. Im Jahr 2005 druckt die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten zwölf Mohammed-Karikaturen - sie werden auch in Deutschland veröffentlicht. Im September 2012 beschäftigt nun das peinliche Schnipselwerk eines Islamhassers auf der Videoplattform Youtube die öffentliche Diskussion. Auch in diesem Fall wäre ein Verbot die falsche Entscheidung.
Soll sich Nakoula Basseley Nakoula, der vermeintliche Regisseur, doch lächerlich machen mit seinem stümperhaften Krippenspiel. Mit seinem 14-Minuten-Teil, das dumm ist, obszön und kindisch. Soll dieser Film dahinsiechen im Internet, weil er nicht mehr ist als eine Peinlichkeit vor Fototapete. Ein Verbot aber, das inzwischen diskutiert wird, würde Nakoulas Film adeln und den Regisseur und seine Befürworter bestätigen: dass die Meinungsfreiheit beschnitten würde.
Ja, jeder muss das Recht haben auf Religionsfreiheit. Doch es gibt kein Recht darauf, nicht beleidigt zu werden. Und so muss veröffentlichte Kritik - auch an Religionen, selbst wenn sie in diesem Fall stümperhaft ist - zulässig sein und durch die Gesetzgebung geschützt werden. Denn die religiöse Identität jedes einzelnen muss geschützt werden, nicht aber der religiöse Begriff als historisches Regelwerk.
Verbote haben noch nie zur Aufklärung beigetragen, zumal Nakoulas Film keinen Straftatbestand darstellt. Das Sperren des Videos wäre also letztlich Zensur - und würde die Debatte um Religionsfreiheit in die falsche Richtung anschieben: Der Islam sei vor Anfeindungen zu schützen, andere Religionen nicht.
Es gibt unzählige Karikaturen des Papstes, satirische Werke über das Judentum und amüsante Bilder Buddhas. Warum das alles nicht auch verbieten und die Religionsfreiheit über die Meinungsfreiheit stellen? Weil diese Rechte eben nicht untereinander klassifiziert sind, sondern gleichberechtigt nebeneinander stehen. Und solange niemand durch ein Bild, eine Zeichnung oder ein Video in seinem religiösen Leben gefährdet ist, darf keines der beiden Rechte über das andere gestellt werden.
Wir alle wissen: Mohammed war weder ein blutrünstiger Gewalt- noch ein Triebtäter, auch kein Kinderschänder. Wir alle wissen: Muslime sind nicht durch ihre Gene per se allesamt blutrünstige Gewalt- oder Triebtäter, auch keine Kinderschänder. Ein widerliches Video einer absoluten Minderheit von Islamverächtern suggeriert aber genau das. Das Machwerk ist allein dazu gedreht worden, Hass gegen Muslime zu säen. Der Plan ging auf. Zehntausende Muslime protestieren, weil ihr Prophet beleidigt wurde. Hunderte von ihnen - fanatische Islamisten, angestachtelt vom Terrornetzwerk al Kaida - gingen gewaltsam gegen westliche Einrichtungen und - wenn man so will - Christen vor. Ein US-Botschafter wurde ermordet.
Jetzt versuchen deutsche Islamverächter, den Film hierzulande zu zeigen. Die Splitterpartei Pro Deutschland möchte ihn in Berlin vorführen. "Uns geht es um die Kunst- und Meinungsfreiheit", sagt ihr Chef Manfred Rouhs. Nein, darum geht es nicht. Pro Deutschland will provozieren und hetzen. "Das kann sehr gefährlich werden", sagt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. "Auch in Deutschland gibt es ausgesprochen aggressive Islamisten. Man muss damit rechnen, dass ein kleiner Funke genügt und es explodiert gleich an verschiedenen Stellen."
Wer kann das wollen? Niemand. Warum also soll das Video in voller Länge öffentlich gezeigt werden? Ist damit der Meinungsfreiheit gedient? Nein, ist es nicht. Der Staat muss eindeutig Position beziehen und alles in seiner Macht stehende tun, diesen ohnehin kreuzgefährlichen Streit zwischen den Religionen nicht weiter zu befeuern. Und deshalb ist es richtig, dass Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die öffentliche Aufführung verbieten will. Der an Friedrich gerichtete Vorwurf der Zensur mutet hier schon absurd an. Das Video hat eine völlig andere Dimension als die Mohammed-Karikaturen oder das "Titanic"-Titelblatt mit dem besudelten Papst. Dahinter stecken keine geistigen Brandstifter.

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Unverständlich sind die Reaktionen von SPD- und Grünen-Politikern, die an dieser Stelle die Meinungsfreiheit über das Recht auf Pöbeln und Hetzen stellen. "Eine bloße außenpolitische Rücksichtnahme reicht nicht aus, die Grundrechte zu beeinträchtigen", sagt der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der Berliner Tageszeitung "taz". Gibt es ein Grundrecht auf religiöse Hetze? Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagt: "Nach dem, was ich gesehen habe, ist der Film eine geschmacklose Dämlichkeit, aber ohne strafbaren Inhalt." Käme das Video unter dem Deckmantel der Meinungs- und Kunstfreiheit ins Kino, müssten wir unter eben diesem Deckmantel ab sofort auch Filme dulden, die "geschmacklos, aber rechtlich einwandfrei" gegen Juden, Schwarze, Frauen und Schwule hetzen. Was würde Beck dann wohl sagen?
Wahrscheinlich klären es am Ende sowieso die Gerichte, ob der Film hierzulande öffentlich gezeigt werden darf. Ein Kino wird sich dafür ohnehin nicht hergeben. Falls die Rechtslage eine Aufführung zulässt, werden sowieso nur diejenigen zuschauen, denen der Trailer nicht reicht. Der Rechtsstaat wird dann zur Stelle sein und versuchen, Gewalt zu verhindern. Aber besser wäre es, wenn der Film niemals öffentlich gezeigt wird. Er hat schon zu viel Unheil angerichtet.