Franz Gockel "Man denkt nur: der oder ich"

Franz Gockel, 18, war Maschinengewehrschütze. Er saß im Widerstandsnest 62 auf den Klippen von Omaha Beach, als die Invasionstruppen landeten. Einen Moment lang glaubte er: "Mensch, wir packen das!"

"Gegen vier Uhr, in der Dämmerung, sahen wir erst dunkle Punkte im Dunst, dann eine unübersehbare Flotte. Der Horizont war schwarz. Das waren mehr Schiffe als deutsche Soldaten. Ich lag ganz allein in meinem Erdbunker, völlig machtlos. Ich habe gebetet und geschrien: 'Heiliger Josef! Heilige Mutter Gottes! Steh mir bei!' Ich hab gebetet, dass ich nach Hause kann, zu meinen Eltern und Geschwistern. Ein amerikanischer Veteran erzählte mir später, sie hätten auch gebetet. Wir haben gebetet und uns gegenseitig erschossen.

Dann kamen die Jagdbomber. Und die ersten Bomben und Granaten. Heulend und zischend gruben sie sich in den Boden, ich kroch unter den MG-Tisch. Überall war Dreck und Qualm, ich hatte Sand zwischen den Zähnen. Fliegerabwehr gab es nicht. Den ganzen Tag habe ich kein deutsches Flugzeug gesehen.

Um sieben kamen die Landungsboote, und das Morden begann. Unsere Artillerie, die fünf Kilometer weiter zurücklag, schoss mächtig, aber es waren zu viele Boote. Auf den kleineren waren zehn bis zwanzig Soldaten. Die sind an der Seite runtergesprungen. Das Wasser war zirka 300 Meter zurück und ging ihnen bis zu den Knien. Es war ein tödlicher Wettlauf zum Strand, bis dorthin hatten die Soldaten keine Deckung.

Als sie kamen, habe ich geschossen. Von der ersten und zweiten Welle hat es keiner an den Strand geschafft. Da glaubte ich einen Moment: 'Mensch, wir packen das!' Man sieht da nur den Gegner und denkt: 'Der oder ich. Du musst dich wehren, wenn du überleben willst.' Langsam kam die Flut. Die Verwundeten krochen vor ihr davon. Viele Tote oder Schwerverwundete wurden an den Strand geschwemmt. Ein Amerikaner sagte mir später, er habe nicht vermeiden können, auf tote oder verwundete Kameraden zu treten.

Um acht Uhr wurde mein MG zerschossen. Eine Granate traf den Bunker. Ich befreite mich von Holz und Erde, bin raus und wieder rein. Kaum war ich drin, wieder ein Volltreffer. Wieder lag ich unter Schutt und neben mir eine halbe 7,5-Zentimeter-Granate. Ich habe dann mit dem Karabiner weitergeschossen.

Gegen drei Uhr bin ich zum Mannschaftsbunker. Als ich zurückwollte, hieß es, da kannst du nicht mehr hin, da ist der Ami. Ich wollte über einen Wall steigen und fühlte einen Schlag in der Hand. Die Finger baumelten nur noch an den Sehnen. Zwei Kameraden haben mich verbunden und gesagt: 'Mensch, das ist ein guter Heimatschuss!' Diese beiden habe ich, wie so viele andere auch, später auf dem Friedhof wiedergefunden."

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Aufgezeichnet von Sabine Fiedler