Der frühere Bundespräsident Christian Wulff fordert einen Neuanfang von der Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU). In einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" übt er scharfe Kritik an der Arbeit der schwarz-roten Koalition. "Der Jahreswechsel muss von der Regierung wirklich als Anlass zur Erleuchtung genutzt werden. Denn so, wie es bisher gelaufen ist, kann es keinesfalls weitergehen. Da braucht es einen echten Neustart", so Wulff.
Der langjährige Ministerpräsident von Niedersachsen betonte, in einer Krise müsse man handeln. "Es nutzt also nichts, immer zu klagen, man sei von den Umständen geschlagen, vom Ukraine-Krieg, von der Zollpolitik der Amerikaner oder sonst irgendwelchen widrigen Umständen. Die entscheidende Frage ist: Wie reagieren wir darauf?" Wer am Steuer sitze, könne nicht immer nur die Probleme beschreiben. "Wenn ich im Driver Seat sitze, muss ich fahren."
Kritik auch an Migrationsdebatte in Deutschland
Nötig ist aus Sicht von Wulff mehr Ehrgeiz, Tempo und Tatkraft. "Diese kleine große Koalition muss sich schnell auf viel mehr einigen und dies konsequent umsetzen", so der ehemalige CDU-Politiker. Auch die Kommunikation müsse besser werden. "Da kann man auch mal ein Zeichen setzen und sagen: Wir selbst kommen mit weniger Ministerien, mit weniger Mitteln aus. Denn das ist entscheidend: Die Menschen brauchen eine Verheißung. Dann sind sie auch bereit, Opfer zu bringen."
Wulff kritisierte auch die Migrationsdebatte in Deutschland: Viele Menschen wollten nicht sehen, welche Chancen in Zuwanderung und einer vielfältigen Gesellschaft lägen, auch wirtschaftlich. "Bei uns leben viele kluge Syrer. Wenn wir die pendeln lassen, können sie ihr Heimatland wieder aufbauen, zum Vorteil der deutschen Wirtschaft. Ähnlich ist es in Gaza oder der Ukraine: Der Wiederaufbau, der nötig sein wird, bietet enorme Chancen für die deutsche Wirtschaft."