Wie ein großes Maul öffnet sich die Schiebetür am Terminal 2 des Hamburger Flughafens und spuckt in einem Schwall Massen von Menschen aus. Mehr und mehr, Menschen in Anzug und in Kostüm. Es ist kurz nach halb zehn Uhr morgens, die Lufthansa-Maschine aus Frankfurt ist vor Kurzem gelandet, auch der Flieger aus München ist da - Hamburg erlebt die tägliche Invasion der Businesskrieger.
Stramme Schritte, Angespanntheit, die Geschäftsreisenden haben keine Zeit, sind kaum zu stoppen. Nur kurz, im Laufschritt nebendran: Wird wegen der Krise bei Geschäftsreisen gespart? "Fliegen geht nicht mehr einfach so", sagt einer. Er müsse immer schauen, ob die Bahn oder der Flieger billiger sei. Diesmal war es eben das Flugzeug, weil er früh genug buchen konnte.
"Wir achten auf die Kosten", sagt ein 28-jähriger Unternehmensberater, der gerade aus Frankfurt kommt. Dann geht er weiter, lässt den Kaffeestand hinter sich, wo der doppelte Espresso 3,20 Euro kostet. "Wir merken die Krise deutlich, die Leute kaufen weniger", sagt der Besitzer. Und die Verkäuferin des Blumenladens in der Eingangshalle sagt: "Vor allem viele Businesskunden sind sehr angespannt und schimpfen über unsere Preise, wenn sie am Wochenende nach Hause kommen und für die Ehefrau noch einen Strauß Blumen kaufen."
Zweite Klasse in einem gammeligen IC
Es hat sich etwas geändert in der Welt der Geschäftsreisenden: Es wird gespart. Die neuen Reisebedingungen kommen schleichend oder werden hart diktiert - und sind ein Frontalangriff auf das Selbstverständnis der Road Warriors: "Sitze im Zweite-Klasse-Abteil eines gammeligen IC von München nach Nürnberg", mailte neulich ein Mitarbeiter einer Private-Equity-Gesellschaft von seinem Blackberry. "Für einen Multimillionen-Asset-Manager zu arbeiten ist eindeutig nicht mehr, was es einmal war."
Der Deal war bisher: viel Arbeit, wenig Freizeit gegen viel Geld und ein schnelles Upgrade in die Welt der oberen Zehntausend. Businessclass, Senator-Lounge und teure Hotels, in denen die Mitarbeiter einen persönlich kennen und ungefragt den Kaffee ohne Milch bringen - das sollte der Ausgleich sein für all die Stunden in neonbeleuchteten Büros in fremden Städten. Und wer nicht Holzklasse fliegen wollte, aber sollte, wartete mit seiner Buchung eben so lange, bis nur noch die Plätze mit viel Beinfreiheit gleich hinter dem Cockpit frei waren. Das ist nicht nur deutlich angenehmer, sondern gibt obendrein auch mehr Bonusmeilen - die man dann selbst für den nächsten Urlaub oder die neue Kaffeekanne nutzen kann.
Touristenklasse statt First Class
Doch nun, sagt der Mitarbeiter eines großen Geschäftsreiseunternehmens, "erwischt es selbst die heiligen Kühe der Branche: Investmentbanker, Unternehmensberater. Auch die werden inzwischen angehalten, das möglichst günstigste Ticket zu kaufen". Der Softwaregigant SAP hat alle Reisen, die nicht dem Kundenkontakt dienen, gestrichen, bei anderen Unternehmen gilt dies inzwischen ebenfalls. Keine Reise mehr zum Teammeeting oder Fortbildungswochenende.
"Ich darf nicht mehr so viele der teureren Flexitickets buchen", sagt ein Hamburger Werber. Klar, dass das die Reisefreiheit einschränkt. Mitarbeiter der Citigroup müssen meistens die Touristenklasse nehmen, first class ist tabu. Bei dem am finanziellen Abgrund stehenden Versicherer AIG versucht sogar der Boss, mit gutem Beispiel voranzugehen: Edward Liddy reise Touristenklasse, wenn er von New York aus heim nach Chicago pendelt, beteuerte jüngst eine Sprecherin.
Das aber ist ein Flug, der rund drei Stunden dauert. Sechs Stunden von Frankfurt nach New York oder gar elf Stunden nach Los Angeles - wer die in der Holzklasse verbringt, ist gerädert und kaputt. Und für das Meeting, das ein paar Stunden später stattfindet, nicht fit. "Dabei müssen doch gerade diese Leute, die oft nur für 24 bis 48 Stunden in einer Stadt sind, genau in dieser Zeit in einer Topverfassung sein", sagt Stefan Vorndran, Chef des Geschäftsreise-Spezialisten BCD Travel.
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Fünf Leute in einen Dienstwagen
Selbst innerdeutsch führt der Sparwahn zu unnötiger Übernächtigung: "Ich habe heute morgen den billigen Flieger um 6.15 Uhr von Hamburg nach München genommen", schrieb der Private-Equity-Manager aus dem IC. "Und warum habe ich dies getan? Weil mein erster Termin so früh war? Nein, mein erster Termin war erst um 11.00 Uhr." Aber man müsse eben sparen. "Bin Gott sei Dank überhaupt nicht müde", fügte er ironisch hinzu.
Es geht auch noch extremer: "Manche Firmen gehen sogar dazu über, fünf Leute in einen Dienst-Pkw zu quetschen, anstatt allen ein Bahnticket zu bezahlen", sagt Vorndran. Die Folge: "Im Extremfall verzichten einige inzwischen sogar auf eine Reise, wenn sie dafür auf einer Bahnfahrt zwei- bis dreimal umsteigen müssen, nur weil alles möglichst billig sein muss."
Das Problem ist nur: Völlig ohne Reisen geht es auch nicht. "Entweder wir machen Geschäfte oder wir machen keine - und für das Geschäft müssen wir reisen", sagt ein 24-jähriger Berater, der gerade aus München kommt, am Hamburger Flughafen. Also kämpfen sich viele durch die miserablen Bedingungen: Vor einem Jahr, als er noch bei einer Bank in London arbeitete, sei er mit einem aus dem Sekretariat vorbereiteten Reiseplan versorgt worden, berichtet der Mitarbeiter einer Beteiligungsgesellschaft. Auf dem Plan habe sogar der Name des Fahrers gestanden, der einen zum Flughafen brachte. "Man reiste Business, kannte die Stewardessen, und die Hotels waren schön teuer."
Heute arbeitet der 33-Jährige in Deutschland - und sitzt um fünf Uhr morgens in der S-Bahn zum Flughafen, um dort in einen Billigflieger einzusteigen. "Ich habe mir für 9 Euro Aufpreis mehr Beinfreiheit gegönnt! Den S-Bahn-Fahrer kenne ich nicht. Bei Übernachtungen in anderen Städten versuche ich, bei Freunden unterzukommen, um die Hotelkosten zu sparen. Wir verbringen dann meistens den Abend bei einem Teller Nudeln und Rotwein."
Nur in einem bestimmten Ausnahmefall muss man offenbar nicht so auf die Kosten achten: wenn der Kunde bezahlt. "Dann sind wir nicht ganz so strikt", sagt der Hamburger Werber. Sein Unternehmen ist der Kreativbranche entsprechend einfallsreich und spart zusätzlich noch an anderen Stellen: "Es gibt bei uns im Büro kein Salz und keinen Pfeffer mehr - und wir wurden angehalten, nicht so viel Klopapier zu verbrauchen." Und das sei kein Witz.